Saubere Luft könnte Kinder vor der Entwicklung von Kurzsichtigkeit schützen
Eine neue Studie aus PNAS Nexus (2025) zeigt, dass Luftverschmutzung möglicherweise die Sehentwicklung von Kindern beeinträchtigt und bessere Luftqualität das Fortschreiten einer Myopie im Kindesalter verlangsamen kann. Das Forschungsteam um Xi Chen von der Tianjin Medical University analysierte Daten von knapp 30.000 Schulkindern aus Tianjin, China. Neben genetischen Faktoren und Lebensstilmerkmalen wie Bildschirmzeit wurden auch Umweltvariablen berücksichtigt. Hierzu entwickelten die Forscherinnen und Forscher ein Machine-Learning-Modell, mit dem sie simulierten, wie sich die Sehschärfe entwickelt hätte, wenn alle Kinder den Schadstoffwerten der am wenigsten belasteten 20 % ausgesetzt gewesen wären.
Die Ergebnisse zeigen eine unabhängige Assoziation zwischen geringerer Belastung durch Stickstoffdioxid (NO₂) und Feinstaub (PM2,5) und einer besseren unkorrigierten Sehschärfe. In einer modellierten „Clean Air“-Kohorte verbesserte sich die durchschnittliche Sehschärfe um 0,04 Einheiten. Besonders deutlich fiel der Effekt bei Grundschulkindern aus, bei denen sich ein Plus von 0,09 Einheiten zeigte. Auch Kinder mit leichter bis mittelgradiger Myopie profitierten besonders. Dagegen waren die Effekte bei älteren Schülerinnen und Schülern sowie bei stark myopen Kindern gering. Dies deutet darauf hin, dass frühe Entwicklungsphasen besonders empfindlich für Umwelteinflüsse sind und Interventionen möglichst früh erfolgen sollten.
Als mögliche biologische Mechanismen nennt das Team entzündliche Prozesse, oxidative Stressreaktionen im Auge, eine verringerte Lichtexposition sowie strukturelle Veränderungen der extrazellulären Matrix, die eine axiale Verlängerung des Augapfels begünstigen könnten. Studienleiter Zongbo Shi (University of Birmingham) betont, dass saubere Luft nicht nur Respirationswege schütze, sondern auch für die Augen essenziell sei.
Die Forscherinnen und Forscher regen an, gezielt die Luftqualität im schulischen Umfeld zu verbessern, etwa durch Luftreiniger in Klassenräumen oder temporäre autofreie Zonen zu Schulbeginn und ‑ende. Angesichts der in Ostasien stark gestiegenen Myopieprävalenz – dort bei Schulabgängerinnen und ‑abgängern 80–90 % – könnte dies eine niederschwellige Maßnahme sein, um das Sehvermögen zu schützen. In Deutschland bleibt laut KiGGS-Studie die Häufigkeit der Myopie im Kindes- und Jugendalter bislang stabil.
Quellen:
Xi Chen, Yuqing Dai, Ruihua Wei, Bei Du, Congchao Lu, A Robert MacKenzie, Nai-jun Tang, Zongbo Shi, Hua Yan. Benefits of clean air for school children's vision health. PNAS Nexus, Volume 4, Issue 9, September 2025, pgaf279, https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgaf279
Schuster AK, Elflein H, Schmidt S, Rüther A, Kroll LE. (2020). Prevalence and time trends in myopia among children and adolescents: Results of the German KiGGS study. International Journal of Environmental Research and Public Health, 17(19), PMC8025934. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0855