Orphan Drugs: häufig bei neurologischen Erkrankungen

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Ein Beitrag von Prof. Dr. Markus Weih

Als Orphan-Erkrankungen gelten in der EU Erkrankungen mit einer Prävalenz von unter 1:2000. Vermutlich gibt es über 6.000 davon, von der AA-Amyloidose bis zur Zytopenie, so dass sich die Gesamtzahl der davon Betroffenen in Deutschland auf bis zu vier Millionen summiert.1

Die Seltenheit der Einzelerkrankung bringt oft eine lange diagnostische Odyssee mit sich. Seit 1999 gibt es eine EU-Verordnung, in der die Entwicklung und Markteinführung von Orphan Drugs gefördert wird. Organisationen wie orphanet (www.orpha.net) fördern die Forschung und stellen Hilfsmittel und Diagnosealgorithmen zur Verfügung.

Orphan Drugs und Orphan Diseases

In der EU wurden bisher fast 200 Arzneimittel zur Behandlung von seltenen Erkrankungen zugelassen.2 Der exklusive Orphan-Patentschutz gilt bei Orphan Drugs für zehn Jahre. Aktuell sind noch weitaus mehr Medikamente in der Entwicklung, aber noch nicht zugelassen. Viele der seltenen Erkrankungen werden die meisten Ärzte vermutlich nur aus der Literatur kennen. Es gibt aber in Deutschland auf die Behandlung von Patienten mit seltenen Erkrankungen spezialisierte Zentren. Das erste dieser Zentren wurde 2009 in Freiburg eröffnet. Inzwischen gibt es in Deutschland 30 derartige Einrichtungen, meist an Universitätskliniken.3

Unter den Orphan Diseases befinden sich gut bekannte Störungen wie der M. Cushing, sehr viele Leukämien, aber auch seltene Varianten von anderen hämatologisch-onkologischen Erkrankungen, seltene Infektionen, Fehlbildungen, Eisen-, Eiweiß- und Fettstoffwechselstörungen, Gerinnungsstörungen, Endokrinopathien, Lungenerkrankungen, Mukoviszidosen und gastrointestinale Erkrankungen. Es gibt eigentlich kein Organsystem, das nicht betroffen sein kann.

Seltene Erkrankungen in der Neurologie

Neurologische Erkrankungen sind dabei überrepräsentiert, vor allem, wenn die Erkrankungen im Kindesalter mit eingerechnet werden. Aus diesem Grund hat sich die Deutsche Akademie für seltene neurologische Erkrankungen gegründet (www.dasne.de).

Für manche neurologische Erkrankungen wie das Dravet- oder das Lennox-Gastaut-Syndrom gibt es mehrere Orphan Drugs. Umgekehrt gibt es auch Orphan Drugs, die bei mehreren Erkrankungen eingesetzt werden können (zum Beispiel Eculizumab oder Cannabidiol).

Fazit

Orphan Diseases sind zwar für sich selten, aber es gibt viele davon. Neben Fortschritten in der molekulargenetischen Diagnostik gilt dies auch für die Therapien. Es lohnt sich, dieses Feld zu beobachten und bei unklaren Krankheitsbildern die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel einzusetzen und die auf die Therapie spezialisierten Zentren zu kennen und ggf. zu kontaktieren.

Prof. Dr. Markus Weih ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist im Medic-Center Nürnberg – Schöll + Kollegen (MVZ) tätig und für Berufsverband und in Forschung und Lehre aktiv.