DGN-Stellungnahme zu ME/CFS kontrovers diskutiert

      Newsletterbeitrag     Medizin / Wissen­schaft; SARS-CoV-2

Die Deutsche Gesell­schaft für Neurologie (DGN) hat eine Stellung­nahme zum aktu­ellen For­schungs­stand bei ME/CFS (Myal­gische Enze­phalo­myelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) abgebeben. Laut DGN ist ME/CFS eine komplexe chro­nische Erkran­kung mit viel­gestaltiger Sympto­matik, bei der sich Diagnos­tik und The­ra­pie schwie­rig gestal­ten, da es keine Krank­heits­marker oder etablierte Behand­lungen gebe. Studien zur Häufigkeit von ME/CFS hätten oft metho­dische Schwächen.

Eine Schluss­fol­gerung der DGN auf­grund inkon­sis­tenter Studien­daten: Es sei nicht davon aus­zu­gehen, dass immuno­lo­gische Fak­toren eine ent­schei­dende Rolle bei ME/CFS spielen. Daher sollten zukünf­tige For­schungs­ansätze nicht vor­wie­gend auf immuno­lo­gische Erklä­rungs­ansätze gerichtet sein, sondern diagnos­tische und thera­peu­tische Ver­fahren aus anderen Medizin­bereichen miteinbeziehen, ein­schließ­lich psy­chischer und psycho­so­ma­tischer Erkran­kungen.

Kritik von verschiedenen Stellen

Die DGN-Stellung­nahme wurde von verschie­denen Stellen kriti­siert. So schrieb Prof. Carmen Scheibenbogen, eine führende Forscherin im Bereich ME/CFS von der Charité1: „Die neue Stellung­nahme der DGN zu ME/CFS igno­riert leider aktuelle wissen­schaft­liche Fort­schritte zu den immuno­lo­gi­schen Mecha­nismen post­infek­tiöser ME/CFS. Statt­dessen propa­giert sie über­holte Konzepte – und legiti­miert damit auch weiter­hin unwirk­same und schä­di­gende Therapien.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e. V. reagiert mit Kritik: In einem umfassenden, mit Literatur­quellen ver­sehenen, State­ment wird u. a. kritisiert, dass zen­trale For­schungs­ergeb­nisse der letzten Jahre zu den patho­bio­lo­gischen Grund­lagen von ME/CFS durch die DGN unbe­rück­sich­tigt blieben. Genannt werden etwa veränderte Zytokin­muster in Blut und Liquor, Auto­anti­körper gegen G-Protein-gekoppelte-Rezep­toren und endo­the­liale Dys­funk­tion. Zudem sei die Erkran­kung, nach diffe­ren­zial­diagnos­tischer Abklä­rung, klinisch anhand der Kana­dischen Konsens­kriterien zu diagnos­ti­zieren. Auch Zweifel an einer soma­tischen Genese werden kritisiert. Die Situation erinnere an die Geschichte der Multiplen Sklerose, die einst als „Frauen­krank­heit“ betitelt wurde. Erst die Ent­wick­lung spezifischer Diagnostik und The­rapie veränderte die Situ­ation, auch wenn die genauen Ursachen der MS bis heute nicht abschlie­ßend geklärt sind. Die DGN hat auf die Kritik der Deutsche Gesell­schaft für ME/CFS mit einem Gesprächs­angebot reagiert.

» Zur Stellungnahme der DGN

» Zum Statement der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS

 

1 x.com/C_Scheibenbogen/status/1947947698193125410