Zugang zur Psychotherapie in Gefahr: Verbände warnen vor dem geplanten Primärarztsystem
In einer gemeinsamen Stellungnahme warnen mehrere führende Psychotherapeutenverbände eindringlich vor der Einführung einer verpflichtenden Überweisung durch Hausärztinnen und Hausärzte für den Zugang zur Psychotherapie. Sie sehen darin eine ernsthafte Gefahr für die Versorgung psychisch erkrankter Menschen und fordern, das bewährte System des direkten Zugangs beizubehalten.
Seit 1999 können gesetzlich Versicherte ohne Überweisung psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Nach Ansicht der Verbände hat sich dieses Modell als effizient und patientenorientiert erwiesen – insbesondere, weil es eine frühzeitige und bedarfsgerechte Behandlung ermöglicht. Eine verpflichtende primärärztliche Überweisung würde nicht nur den Zugang erschweren, sondern auch zu längeren Wartezeiten führen – besonders in ländlichen Regionen, wo sowohl Hausarzt- als auch Psychotherapieangebote knapp sind.
Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Reform verfolgt das Ziel, Doppelbehandlungen zu vermeiden. Doch laut den Verbänden greift dieses Argument bei psychischen Erkrankungen nicht: Psychotherapien würden ohnehin durch die Krankenkassen genehmigt und unterlägen strengen Prüfungen. Ein zusätzlicher „Filter“ durch Hausärztinnen und Hausärzte sei weder notwendig noch sinnvoll.
Besonders kritisch sehen die Verbände die zusätzlichen Hürden für Patientinnen und Patienten: Viele Betroffene zögerten ohnehin, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine verpflichtende hausärztliche Einschätzung könnte den Zugang weiter erschweren – mit negativen Folgen für den Krankheitsverlauf. Frühzeitige Interventionen sind jedoch entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung. Zudem betonen die Verbände, dass Psychotherapeutinnen und ‑therapeuten über die fachliche Kompetenz verfügen, psychische Erkrankungen eigenständig zu diagnostizieren und die Notwendigkeit einer Behandlung einzuschätzen.
Die Organisationen appellieren daher an die Politik, Reformen im Gesundheitswesen nicht auf Kosten der psychischen Gesundheit umzusetzen. Ein einheitliches Modell, das für körperliche Erkrankungen sinnvoll erscheint, sei nicht automatisch auf psychotherapeutische Behandlungen übertragbar. Der direkte Zugang zur Psychotherapie müsse erhalten bleiben.
Beteiligt an der Stellungnahme sind unter anderem die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp), die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) und weitere Fachverbände.
Quellen:
Aktuelle Meldungen und Pressemitteilungen | DPtV
Verbände warnen: Primärarztsystem gefährdet direkten Zugang zur Psychotherapie | Gelbe Liste