Herpes Zoster: Das kann man vermeiden
Der Herpes Zoster (HZ) ist die Zweitmanifestation einer Infektion mit Varizella-Zoster-Viren (VZV). Das VZV kann jahrzehntelang in den Spinalganglien verweilen, nach der Reaktivierung aus dem Spinalganglion durch anterograden Transport in die Spinalnervenfasern der Haut zurückkehren und die Epidermis in einer begrenzten dermatomalen Verteilung infizieren. Der daraus resultierende Herpes Zoster ist in jedem Lebensalter möglich, tritt meist aber ab dem 50. Lebensjahr auf. Die Inzidenz in Deutschland liegt aktuell bei ca. 400.000 Erkrankungen pro Jahr, in der EU bei ca. 2 Millionen. Obgleich die Infektion in der Regel zu einer lebenslangen Immunität führt, ist ein erneuter Ausbruch möglich.
Prävention
Einen erneuten Ausbruch kann man verhindern. In Deutschland stehen Impfstoffe gegen das VZV als wirksame Prophylaxe zur Verfügung. Zunächst wurde am 20. Mai 2006 ein Lebendimpfstoff (Zostavax®) in der EU zugelassen, der abgeschwächte, lebende Varizella-Zoster-Viren enthält. Bevorzugt eingesetzt wird mittlerweile aber ein aufgrund seiner höheren Wirksamkeit seit dem 22. März 2018 in der EU eingeführter Totimpfstoff (Shingrix®). Er enthält kein lebendes Virus, sondern ein bestimmtes Viruseiweiß (Glykoprotein E), das in Verbindung mit einem Wirkverstärker (Adjuvans) eine verstärkte Immunantwort hervorruft.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt mittlerweile eine Impfung mit dem Totimpfstoff ab 60 Jahren oder ab 50 Jahren bei Personen mit erhöhtem Risiko wie z. B. bei Menschen mit HIV, rheumatoider Arthritis (RA), systemischem Lupus erythematodes (SLE), chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), vor einer Organtransplantation oder bei immunsuppressiver Therapie in zwei Dosen im Abstand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten.
Das Problem: In Deutschland sind rund 80 % der anspruchsberechtigten Menschen nicht oder nur unvollständig gegen HZ geimpft, obgleich die HZ-Impfung nachweislich zwei von drei Gürtelrose-Erkrankungen verhindern kann (BARMER-Arzneimittelreport 2025).
Nachdem die Erstimpfungsrate bis zum Jahr 2022 in allen Altersklassen langsam angestiegen war, ist sie im Jahr 2023 außer bei den 60- und 61-Jährigen zurückgegangen. Am stärksten war der Rückgang bei den 75-Jährigen von 12,6 auf 9,2 %.
Dies sollte eine Herausforderung für die Hausarztpraxen als erster Ansprechpartner für eine Herpes-Zoster-Impfung sein. Leider gibt es hier aber deutschlandweit enorme Unterschiede bei den Impfquoten, diese reichen von 0 bis 88 %. Bemerkenswert sind dabei auch die regionalen Unterschiede. So sind in den östlichen Bundesländern die Impfquoten am höchsten und fallen ab von 29,3 % in Sachsen-Anhalt auf 15,4 % in Bayern und 15,2 % in Baden-Württemberg als Schlusslicht. Mutmaßlich spielt hierbei auch die praxisindividuelle Organisation des Angebots von Schutzimpfungen eine Rolle, denn Praxen mit geringer Herpes-Zoster-Impfrate impfen auch seltener gegen Influenza. Eine selektive Impfskepsis scheint es hingegen eher nicht zu geben.
Eine denkbare Erklärung für die regionalen Unterschiede könnten allerdings auch Strukturen sein, die selbst so viele Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch eine Rolle spielen. In der DDR gab es ein strenges Impfmanagement. Versicherte hatten von Geburt an ein Impfbuch, das eine übersichtliche und damit regelmäßige Kontrolle der Impfungen gegen wichtige Infektionskrankheiten ermöglicht hat. Ein möglicher Erfolg dieses Managements war die Ausrottung der Poliomyelitis in der DDR.
In den westlichen Bundesländern scheint ein solches Impfbewusstsein nicht mit der notwendigen Nachhaltigkeit zu existieren. Nachdenklich stimmt auch die Schlusslichtposition von Bayern und Baden-Württemberg als Bundesländer mit einer hohen Teilnahmequote von GKV-Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung (HzV).
Was also könnte man tun, um dieses Defizit zu beseitigen?
Menschen, die durch eine Infektion besonders gefährdet sind, müsste man bevorzugt ansprechen und überzeugen, was eigentlich kein Problem sein sollte. Bei allen Versicherten bieten sich hierzu die regelmäßig zur Verfügung stehenden Vorsorgeuntersuchungen wie insbesondere der sog. Check-up nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 01732 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) an, bei der offensichtlich besonders unterversorgten Gruppe der über 70-Jährigen zusätzlich die geriatrische Versorgung nach den GOP 03360 und 03362 EBM.
Wenn man dafür das Bewusstsein des Praxispersonals weckt und bei jeder Terminierung einer solchen Untersuchung die Patientin bzw. der Patient aufgefordert wird, auch den Impfausweis mitzubringen, sollte dies eigentlich ein Selbstläufer sein.
Eine eher etwas erzwungene, aber vielleicht durchaus wirkungsvolle Förderung der Impftätigkeit der Hausarztpraxen könnten auch Regelungen sein, die ab dem 1. Januar 2026 Einzug in die hausärztliche Honorierung halten. Ab dem Jahreswechsel müssen Hausarztpraxen nämlich mindestens 10 Impfungen im Quartal erbringen, wenn sie verhindern wollen, dass die weiterhin bestehende hausärztliche Grundpauschale nach der GOP 03040 (jetzt Vorhaltepauschale) um 40 % gekürzt wird. Bei 1.000 Fällen macht das immerhin einen potenziellen Verlust von 6.340 Euro aus. Hinzu kommt, dass man ab dem 1. Januar 2026 ein höheres Honorar für die GOP 03040 erreichen kann, wenn man z. B. bei 1.000 Behandlungsfällen zusätzlich zu diesen 10 Impfungen weitere 60 Impfungen jeweils im 1., 2. und 3. Quartal durchführt.
Die (mögliche) Problemlösung: der Fall
Der 63-jährige Ewald B. ist von Beruf Schlosser. Bei einem Körpergewicht von 122 kg und einer Körpergröße von 1,72 m liegt sein BMI mit 41,2 deutlich im pathologischen Bereich. Herr B. raucht regelmäßig etwa 10–15 Zigaretten pro Tag, weil er befürchtet, ansonsten noch mehr an Körpergewicht zuzulegen.
Im Rahmen der bei ihm unregelmäßig durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen in der Praxis wurde bereits ein mittelgradiger Hypertonus und ein Diabetes mellitus Typ II festgestellt. Weitere Risikofaktoren sind nicht bekannt. Er stellt sich jetzt in der Praxis mit einem Termin vor, weil er in letzter Zeit vereinzelt Schmerzen in der linken Brustseite verspürt hat und ein neues Rezept braucht. Herr B. wird zunächst in einem längeren Gespräch von 12 Minuten über die möglichen Zusammenhänge dieser Symptomatik aufgeklärt, zugleich aber auch auf die Notwendigkeit, erneut die anstehenden Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen, hingewiesen und es wird ein Termin vereinbart. Wegen der aktuellen Beschwerden werden zum Ausschluss eines unmittelbar bedrohlichen Verlaufs ein Ruhe-EKG angefertigt und ein Troponin-Schnelltest durchgeführt. Beide Untersuchungen ergeben keinen pathomorphologisch auffälligen Befund.
Diese Leistungen können nach EBM oder GOÄ wie folgt berechnet werden:
Erstkontakt
EBM | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro | GOÄ |
03004 | Versichertenpauschale 55. bis 75. Lebensjahr | 148/18,34 | 7 |
| Ruhe-EKG |
| 651 |
03220 | Zuschlag zu der Versichertenpauschale für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 130/16,11 |
|
32150 | Immunologischer Nachweis von Troponin I und/oder Troponin T auf einem vorgefertigten Reagenzträger bei akutem koronaren Syndrom (ACS), ggf. einschl. apparativer quantitativer Auswertung | 11,25 | A3732 |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist | 128/15,86 | 1 |
Im Rahmen des zweiten Termins wird Herr B. über die in seinem Alter wichtige Vorsorge zum Kolonkarzinom und die Notwendigkeit einer Herpes-Zoster-Impfung informiert. Keine pathologischen Befunde ergeben die Untersuchungen im Rahmen des Check-up 35, ergänzt durch ein Belastungs-EKG, die Auswertung der beim ersten Kontakt angelegten Langzeitblutdruckmessung und das Hautkrebsscreening. Er entscheidet sich anschließend für eine Vorsorge-Koloskopie und auch für eine Zoster-Impfung. Die erste Impfung wird sofort durchgeführt und ein Termin für die Zweitimpfung vereinbart.
Diese Leistungen können nach EBM oder GOÄ wie folgt berechnet werden:
Zweitkontakt
EBM | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro | GOÄ |
03221 | Zuschlag zu der Gebührenordnungsposition 03220 für die intensive Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 40/4,96 |
|
01732 | Gesundheitsuntersuchung bei Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr | 326/40,40 | 29 |
01746 | Zuschlag zur Gebührenordnungsposition 01732 für die Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs | 209/25,90 | 750 |
01740 | Beratung zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms | 116/14,38 |
|
03321 | Belastungs-Elektrokardiographie (Belastungs-EKG) | 198/24,54 | 652 |
03324 | Langzeit-Blutdruckmessung | 57/7,06 | 654 |
89129A | Erste Impfdosis (Indikationsimpfung) gegen Herpes Zoster bei Personen ab 50 Jahren | Regional unterschiedlich | 375 |
Alle gezeigten EBM-Leistungen werden entweder schon länger extrabudgetär oder seit dem 1. Oktober 2025 unbudgetiert zu einem festen Eurowert vergütet.
Bei der GOÄ-Abrechnung kann der erhöhte Beratungsaufwand beim Check-up und dem Hautkrebsscreening über eine Anhebung des Multiplikators bei der Nr. 29 geltend gemacht werden.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.