Ein weiterer Schritt bei der Blankoverordnung: Zeitvorgaben bei Lymphdrainage können delegiert werden!

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Ergotherapeutinnen und -therapeuten können für ihre Patientinnen und Patienten bereits seit dem 1. April 2024 eine Blankoverordnung bei der Ergotherapie ausgestellt bekommen. Bei der häuslichen Krankenpflege geht das ab dem 1. Juli 2024 und die Lymphdrainage zieht zum 1. Oktober 2024 nach.

In einem ersten Schritt werden bei der manuellen Lymphdrainage (MLD) aber nur die Vorgaben für die indikationsbezogenen Zeitbedarfe angepasst, sodass eine Verordnung alternativ auch ohne Zeitbezug möglich wird. Mit dem nun gefassten Beschluss wird die Verordnung der MLD und die Behandlung von Lymphödemen flexibilisiert und an die aktuellen Versorgungsbedarfe angepasst.

Die Definition der MLD wurde sprachlich überarbeitet und inhaltlich konkretisiert. Die Einteilung der verordnungsfähigen indikationsbezogenen Zeitbedarfe für die MLD wurde neu am Stadium eines Lymph- oder Lipödems ausgerichtet. Zudem wird klargestellt, dass eine Angabe der zu behandelnden Köperteile auf der Verordnung nicht erforderlich ist.

Das sind die neuen Vorgaben im Überblick:

Zeitbedarf

In Anlehnung an den unterschiedlichen indikationsbezogenen Zeitbedarf sind folgende Vorgaben zu beachten:

ICD-10

MLD-30

Manuelle Lymphdrainage 30 Minuten

Bei Stadium I zur Behandlung von

  • einem Körperteil (Kopf/Hals oder ein Arm oder ein Bein oder Rumpf) oder
  • zwei Körperteilen (beide Arme oder beide Beine oder ein Arm und ein Bein oder eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf)
 

Q82.03
E88.20

Bei Stadium II zur Behandlung von

  • einem Körperteil (Kopf/Hals oder ein Arm oder ein Bein oder Rumpf)
 

Q82.04
E88.22

MLD-45

Manuelle Lymphdrainage 45 Minuten

Bei Stadium I zur Behandlung in Ausnahmefällen bei kurzfristigem/vorübergehendem Behandlungsbedarf von

  • zwei Körperteilen (beide Arme bzw. beide Beine oder ein Arm und ein Bein oder eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf)
 

Q82.03
E88.20

Bei Stadium II zur Behandlung von

  • einem Körperteil (Kopf/Hals oder ein Arm oder ein Bein oder Rumpf) oder
  • zwei Körperteilen (beide Arme oder beide Beine, ein Arm und ein Bein oder eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf)
 

Q82.04
E88.21

Bei Stadium III zur Behandlung von

  • einem Körperteil (Kopf/Hals oder ein Arm oder ein Bein oder Rumpf)
 

Q82.05
E88.22

MLD-60

Manuelle Lymphdrainage 60 Minuten

Bei Stadium II zur Behandlung von

  • zwei Körperteilen (beide Arme oder beide Beine oder ein Arm und ein Bein oder eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf)
 

Q82.04
E88.21

Bei Stadium III zur Behandlung von

  • o einem Körperteil (Kopf/Hals oder ein Arm oder ein Bein oder Rumpf) oder
  • zwei Körperteilen (beide Arme oder beide Beine oder ein Arm und ein Bein oder eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf)
 

Q82.05
E88.22

Quelle: Übersicht nach § 18 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a–c der Heilmittel-Richtlinie

Künftig können Vertragsärztinnen und -ärzte MLD somit auch ohne eine Angabe der oben genannten Therapiezeiten (30, 45, 60 Minuten) verordnen. Darüber entscheidet dann befundabhängig die Therapeutin oder der Therapeut. Erforderlich für eine solche Verordnung ohne Therapiezeit ist die Angabe des Stadiums des Lymph- oder Lipödems in Form des zutreffenden endständigen ICD-10-Codes nach geltender Version der ICD-10-GM (siehe obenstehende Tabelle).

Wichtig zu wissen

Die Verordnung von Heilmitteln unterliegt dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Verordnungen, die den Bestimmungen in der Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL) und im Heilmittel-Katalog zuwiderlaufen, können deshalb zu einem Heilmittelregress führen. Als Grundlage für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen vereinbaren der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) jährlich bundeseinheitliche Rahmenvorgaben, die als Grundlage für die Heilmittelvereinbarungen auf Landesebene dienen. In diesen wird das regionale Ausgabenvolumen für das jeweilige Folgejahr festgelegt. Befreiend von solchen Regressrisiken wirken bestimmte Formen der Verordnung wie der langfristige Heilmittelbedarf (Anlage 2 der HeilM-RL) oder der besondere Versorgungsbedarf, aber auch die jetzt verschiedenen Formen der Blankoverordnung, bei der nicht die Verordnerin oder der Verordner die Details der Heilmittelbehandlung festlegt, sondern die Heilmitteltherapeutin oder der Heilmitteltherapeut. Die Verordnerin oder der Verordner bescheinigt in solchen Fällen ausschließlich, dass eine Heilmittelbehandlung erforderlich ist, ggf. mit zusätzlichen Angaben, und die Heilmitteltherapeutinnen und -therapeuten entscheiden, welches Heilmittel in welcher Therapiefrequenz und wie viele Behandlungseinheiten mit welcher Dauer für die Patientin oder den Patienten angezeigt sind.
Dieser Bereich wird aktuell vom GKV-Spitzenverband und den Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer auf Bundesebene über die zuvor genannten Bereiche hinaus für den weiteren gesamten Heilmittelbereich verhandelt.

Hintergrund

Manuelle Lymphdrainage ist eine medizinische Massage­technik, die eingesetzt werden kann, wenn beispiels­weise nach einer Operation oder strahlen­therapeutischen Krebs­behandlungen Lymph­flüssigkeit nicht abfließen kann und sich im Gewebe ansammelt. Mit speziellen Hand­griffen regt die Therapeutin oder der Therapeut in der betroffenen Körper­region den Abfluss der gestauten Lymphflüssigkeit an. Die Manuelle Lymphdrainage ist aber auch ein unverzicht­barer Bestandteil der komplexen physikalischen Entstauungs­therapie, die vor allem beim chronischen Lymph- oder Lipödem angewendet wird.
Im EBM finden sich deshalb auch zwei Gebühren­ordnungs­positionen (GOP), die eine Leistungs­abrechnung durch Vertrags­ärztinnen und -ärzte möglich macht und die ggf. in einer Sitzung zur Abrechnung kommen können.

EBM

Legende

Punkte/Euro

02313

Kompressionstherapie bei der chronisch venösen Insuffizienz, beim post­thrombotischen Syndrom, bei ober­fläch­lichen und tiefen Bein­venen­thrombosen und/oder beim Lymphödem, je Bein, je Sitzung bis zu 3.750 Punkte

50/5,97

30401

Intermittierende apparative Kompressions­therapie, je Bein, je Sitzung bei folgenden Indikationen: I70.20 und I70.21 Atherosklerose der Extremitäten­arterien i. V. m. R60.0 Umschriebenes Ödem, I83.0 Varizen der unteren Extremitäten mit Ulzeration, I87.0 Postthrombotisches Syndrom, I87.2 Venöse Insuffizienz (chronisch) (peripher), I89.0 Lymphödem, andernorts nicht klassifiziert, L97 Ulcus cruris venosum, M34.0 Progressive systemische Sklerose, Q27.8 Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehl­bildungen des peripheren Gefäß­systems, Q82.0 Hereditäres Lymphödem, T93 Folgen von Verletzungen der unteren Extremität i. V. m. R60.0 Umschriebenes Ödem

34/4,06

Ein Fallbeispiel

Bei einer 68-jährigen Patientin hat sich im Rahmen einer Varicosis im Laufe der letzten Jahre ein post­thrombo­tisches Syndrom bds. mit erheblicher Ödem­bildung entwickelt. Die Patientin erhält deshalb eine Verordnung für maß­geschneiderte Kompressions­strümpfe und wird zur Akut­behandlung täglich einbestellt. Im Rahmen dieser Behandlung erfolgt zunächst eine inter­mittierende Kompressions­therapie bds., anschließend werden die Kompressions­strümpfe angezogen. Hierbei ist zu beachten, dass die Berechnung der GOP 02313 nicht in jedem Fall die Anlage eines entstauenden phlebolo­gischen Funktions­verbandes erfordert. Der Leistungs­inhalt ist auch dann erfüllt, wenn – wie hier – ein patienten­individueller Kompressions­strumpf angelegt wird und die Dokumen­tation des Bein­umfanges zu den angegebenen Zeit­punkten erfolgt. Eine früher geforderte Foto­dokumentation ist dabei nicht mehr erforderlich.

Die Abrechnung: Postthrombotisches Syndrom bds., I87.2GB

EBM

Leistungsbeschreibung

Euro

03004

Versichertenpauschale im 68. Lebensjahr

17,66

03220

Zuschlag zu der Versicherten­pauschale nach der Gebühren­ordnungs­position 03000 für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebens­verändernden chronischen Erkrankung

15,51

03230

Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist

15,28

30401 x2

Intermittierende apparative Kompressions­therapie bds.

8,12

02313 x2

Kompressionstherapie bei post­thrombotischem Syndrom bds.

11,94

Wichtig

Obgleich in der Legende der GOP 30401 und 02313 jeweils auf eine Kompressions­therapie abgehoben wird, sind beide Leistungen in einer Sitzung gemein­sam berechnungs­fähig. Dies resultiert einer­seits daraus, dass aus­drück­lich kein dies­bezüglicher Ausschluss in der Gebühren­ordnung formuliert wurde, andererseits eine stufen­weise Anwendung, wie oben beschrieben, wirtschaftlich ist. Erst wenn bei einem Ödem die Beine zunächst entstaut werden, ist die individuelle Anpassung von Kompressions­strümpfen sinnvoll, um nach der Beseitigung des Ödems eine Rezidivp­rophylaxe zu gewährleisten.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.