Die Ent­bud­ge­tie­rung des haus­ärzt­li­chen Honorars: so müss(t)en Sie da­mit um­gehen

      Abrechnung     Abrechnung

Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Ent­bud­ge­tie­rung des haus­ärzt­li­chen Honorars plätschert so vor sich hin. Mit erheb­li­cher Ver­zö­ge­rung hat der Bewer­tungs­aus­schuss kürzlich die Regelungen zur Vor­hal­te­pau­schale beschlossen und zum 1. Januar 2026 in Kraft gesetzt. Gleiches steht für die ebenfalls gesetzlich vorgegebene Versor­gungs­pau­schale noch aus und auch hier dürfte erst der Jah­res­wechsel der Beginn sein. Fix ist hingegen der Start am 1. Oktober 2025 für die Leis­tun­gen des Abschnitts IIIa 3 (Haus­ärzt­li­che Leis­tun­gen) und II 1.4 (Haus­be­suche).

Da die Vor­hal­te- wie auch die Versor­gungs­pau­schale mit keinen Mehr­aus­gaben verbunden sein dürfen, sollte man sich von Anfang an darauf kon­zen­trie­ren, hier mögliche Verluste zu vermeiden. Das ist bei der Vor­hal­te­pau­schale einfach, denn um zumindest beim alten finan­ziellen Niveau zu bleiben, muss man (neu) 10 Impfungen im Quartal durch­führen und darüber hinaus aus 10 Vorgaben 2 Kriterien erfüllen. Wenn man eine Berufs­aus­ü­bungs­ge­mein­schaft (BAG) hat, braucht man pro 1.000 Behand­lungs­fälle nur noch ein Kriterium erfüllen, z. B. in Summe 30 Lang­zeit­blut­druck­mes­sungen, Lang­zeit-EKGs, Bela­stungs-EKGs und/oder Spiro­gra­phi­en. Alternativ wären auch 10 Video­sprech­stunden oder 50 Haus­be­suche ausreichend.
Wer in einer Einzel­praxis tätig ist, kann das mit der Teilnahme an einem Qualitäts­zirkel kompen­sieren.
Lediglich wer min­des­tens 8 Kriterien erfüllen und damit individuell eine Honorar­steige­rung erzielen will, muss sich strecken: Dazu müssten Leistungen wie die Sono­gra­phie oder die Klein­chir­urgie, die aber nicht extra­bud­getär vergütet werden, erbracht oder die bisherige Tätigkeit auf die Betreuung eines Pflege­heimes mit Vertrag oder um eine erhebliche Steige­rung der Impf­tä­tig­keit erweitert werden.
Bei der Versor­gungs­pau­schale wird es vergleichbar sein, weil an dieser Stelle allen­falls eine Wahl zwischen deren Ansatz und dem der Versicherten­pauschale plus Chro­ni­ker­pau­schale resultiert.

Man kann, nein, man sollte sogar die beiden neuen Pauschalen deshalb abhaken und sich dem tatsächlich möglichen und politisch auch gewollten Mehr­wert im neuen Hausarzt-EBM zuwenden.
Das wiederum bedeutet, dass man die zuvor genannten ent­bud­ge­tier­ten Leistungen, die ohne Wenn und Aber wie erbracht in Euro ausgezahlt werden, erbringen und abrechnen sollte.

Dazu ein Fall­bei­spiel aus dem Bereich der Geriatrie. Diese Leistungen wurden bisher regional unter­schied­lich stark budgetiert, sodass ein Honorar­gewinn hier sicher ist. Zugleich sind die geriatrischen Leistungen auch auf der Liste der Kriterien, die zu einem höheren Honorar bei der Vor­hal­te­pau­schale führen können, angesiedelt, sodass hier ggf. sogar ein honorar­tech­nischer Doppel­effekt entsteht.

Der Fall

Der 75-jährige Patient ist seit vielen Jahren in haus­ärzt­li­cher Betreuung. Bekannt sind eine Herz­in­suf­fi­zienz NYHA II, ein mit­tel­gra­di­ger Hyper­tonus und ein nicht-insulin­pflichtiger Dia­be­tes mellitus Typ II. Er kommt in Begleitung seines Sohnes in die Sprech­stunde, der berichtet, dass sich beim Vater seit etwa einem halben Jahr Symptome wie eine zunehmen­de Ver­gess­lich­keit und nächt­li­che Un­ruhe­zu­stände bis hin zu unkon­trolliertem Aufstehen entwickelt haben. Auffällig sei auch, dass er nicht mehr zu seinem Stamm­tisch gehe. Im Gespräch fällt auf, dass der Patient einen depres­siven Eindruck macht und auf Fragen nicht ange­messen antwortet. In einem ersten Schritt werden Labor­ver­laufs­kon­trollen veranlasst und der Test zur Früh­er­ken­nung von Demenzen mit Depres­si­ons­ab­gren­zung (TFDD) durch­ge­führt. Eine psycho­patho­lo­gische Ursache kann so bereits ausgeschlossen werden, zur weiteren neuro­lo­gischen Abklärung wird dem Patienten ein Termin bei einer neuro­lo­gischen Praxis innerhalb von einer Woche vermittelt.

Abrechnung der Leistungen beim Erstkontakt im Quartal

EBMLegendeEuro
03004Die Versichertenpauschale (VP) ab Beginn des 55. bis zum vollendeten 75. Lebensjahr vergütet die körperliche Untersuchung sowie den neurologischen und psychiatrischen Status und die Fremdanamnese.18,34
03220Zuschlag zur VP für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung16,11
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist15,86
03242Testverfahren bei Demenzverdacht (TFDD), bis zu dreimal im Behandlungsfall2,85
03330Spirographische Untersuchung6,57
03008Zuschlag zur VP für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem Neurologen16,24
SUMME76,03

Im Rahmen der Labor­dia­gnos­tik ergeben sich keine neuen Erkennt­nisse. Der Dia­be­tes ist mit einem HbA1c-Wert von 7,5 mit Blick auf das Alter des Patienten akzeptabel eingestellt. Die elektro­kardio­graphische Kontrolle und die Lungen­funk­tions­prüfung sind eben­falls nicht auffällig. Der Patient wird in der neuro­lo­gischen Praxis auf eine medikamentöse anti­de­men­tive Therapie ein­ge­stellt und die Vorstellung bei einem geriatrisch spezialisierten Arzt zur Durch­führung eines weiter­ge­henden Assess­ments empfohlen. Dem Patienten wird deshalb bei einem Inter­nisten mit dieser Zusatz­quali­fikation ein Termin inner­halb von 20 Tagen vermittelt. Vorher werden in der Praxis im Rahmen eines haus­ärzt­lich-geria­tri­schen Basis­assess­ments ein Barthel-Index sowie ein „Timed Up and Go“- und ein „Chair Rise“-Test durch­ge­führt und dem Patienten die Ergebnisse mitgegeben.

Abrechnung der Leistungen beim Erstkontakt im Folgequartal

EBMLegendeEuro
03004Die Versichertenpauschale (VP) ab Beginn des 55. bis zum vollendeten 75. Lebensjahr vergütet die symptombezogene körperliche Untersuchung und die einfache Beratung.18,34
03220Zuschlag zur VP für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung16,11
03360Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment14,00
30980Abklärung vor der Durchführung eines weiterführenden geriatrischen Assessments23,92
03008Zuschlag zur VP für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem geriatrisch spezialisierten Arzt16,24
SUMME88,61

Der Patient kommt vom weiter­führenden Assessment mit der Empfehlung zurück, dass eine Ergo­therapie durch­geführt und zur Intensivierung auch eine geria­trische Reha beantragt werden sollte. Beides wird von seinem Hausarzt veranlasst.

Abrechnung der Leistungen beim Zweitkontakt im Folgequartal

EBMLegendeEuro
03221Zuschlag zu der GOP 03220 für die intensive Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung4,96
03362Hausärztlich-geriatrischer Betreuungskomplex21,56
30988Zuschlag zur GOP 03362 für die Einleitung und Koordination der Therapiemaßnahmen gemäß multiprofessioneller geriatrischer Diagnostik nach Durchführung eines weiterführenden geriatrischen Assessments8,06
01611Verordnung von medizinischer Rehabilitation unter Verwendung des Vordrucks Muster 6139,04
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist15,86
SUMME89,48

Bitte beachten:

  • Ein Antrag zur geria­tri­schen Reha nach Muster 61 ist ein Selbst­läufer, da Kassen ab dem 70. Le­bens­jahr den Antrag un­ge­prüft genehmigen. Vor­aus­setzung sind geriatrie­typische Diagnosen sowie die Durch­führung eines „Timed Up and Go“- und eines „Chair Rise“-Tests neben z. B. der Einordnung in ein NYHA-Stadium. Die Tests können zu­sätzlich zur GOP 01611 nach der GOP 01613 berechnet werden, es sei denn, im betreffenden Quartal kommt­­­ – wie in dem Fall­bei­spiel – auch die GOP 03360 zum Ansatz.
  • Die GOP 03360 und 03242 können im Fall­bei­spiel gemeinsam zum Ansatz kommen, da nur ein Ausschluss beim Ansatz im selben Behand­lungs­fall besteht.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.