Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose

      Abrechnung     Meine Praxis

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Die Lyme-Borreliose ist eine durch Borrelia burgdorferi und verwandte Spezies ausgelöste bakte­rielle Infek­tion, die durch Zecken­stiche übertragen wird. Die Erkran­kung verläuft in Stadien und kann Haut, Gelenke, Nerven­system und Herz befallen. Als Haus­ärztin oder Haus­arzt sollte man bei bestimmten Symptomen (auch) an das Vor­liegen dieser Erkran­kung denken und recht­zeitig handeln.

Diagnostik

Die Diagnose basiert auf den klinischen Symptomen und serolo­gischen Tests.
Als Leitsymptome treten auf:

  • im Stadium 1 (Tage bis Wochen nach Stich)
    • häufig ein Erythema migrans als schmerzlose, sich ausbreitende Rötung mit zentraler Abblassung,
    • grippeähnliche Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen,
  • im Stadium 2 (Wochen bis Monate nach Stich) 
    • neurologische Manifestationen (Neuro­borreliose), 
    • lymphozytäre Meningo­radikulitis (Bannwarth-Syndrom) als schmerz­hafte Radiku­litis, Fazialisparese, Meningitis,
    • selten eine Enzephalitis, Myelitis,
    • eine kardiale Beteiligung (Lyme-Karditis) als AV-Blockierungen, Myo­karditis, Peri­karditis,
    • multiple Erythema-migrans-Läsionen,
    • Arthralgien (ohne Schwellung),
  • im Stadium 3 (Monate bis Jahre nach Stich)
    • Lyme-Arthritis als rezidi­vierende oder chronische Mon-/Oligo­arthritis, v. a. Kniegelenk,
    • Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) als blaurote Haut­atrophie, v. a. an Extremitäten,
    • chronische Neuroborreliose (Enzephalo­myelitis, Poly­neuro­pathie). 

Die frühe Labor-Diagnostik sollte deshalb eine Serologie (Anti­körper­nachweis) als zwei­stufiges Verfahren gemäß nationaler Leit­linie enthalten: ein ELISA/Screening (IgM/IgG) und bei positivem/unklarem Ergebnis einen Westernblot als Bestätigungs­test. Beachtens­wert ist dabei, dass eine frühe Infektion z. B. im Stadium Erythema migrans noch sero­negativ sein kann. IgM-Anti­körper treten in der Regel ab der 2. Woche, IgG-Antikörper ab der 4. bis 6. Woche auf. Eine Liquor­diagnostik bei Neuro­borreliose sollte ggf. in einer entsprechend spezialisierten Praxis vorgenommen werden.

Therapie

Die Behandlung erfolgt antibiotisch, wobei Dauer und Mittel sich nach dem Stadium und der Manifestation richten. Leit­linien­gerecht wäre im Stadium 1 die Gabe von Doxycyclin in einer Dosis von 2-mal 100 mg/Tag p. o. für 10 bis 14 Tage. Bei einer Unverträg­lichkeit kann alternativ Amoxicillin in einer Dosis von 3-mal 500–1000 mg/Tag oder Cefuroxim (2-mal 500 mg/Tag) verabreicht werden, bei Kindern unter 8 Jahren oder Schwangeren ist grund­sätz­lich die Gabe von Amoxicillin oder Cefuroxim angezeigt.

Als Verlaufskontrolle sind erneute sero­lo­gische Unter­suchungen nach Therapie wenig sinnvoll, da die Anti­körper­titer oft persistieren. Entscheidend ist die klinische Besserung (z. B. Rück­gang der Arthritis). Als Prophylaxe nach Zecken­stich ist eine schnelle Zecken­entfernung wichtig, eine generelle Anti­biotika­prophy­laxe nach Zecken­stich sollte hingegen nur bei hohem Risiko in Endemie­gebieten erfolgen.

Der Fall

Der 55-jährige Holger T. ist in der Praxis wegen eines gut einge­stellten Diabetes mellitus Typ II bekannt. Als Hobby­gärtner arbeitet er sehr häufig im eigenen Garten und bewirt­schaftet außerdem einen Schreber­garten in Waldnähe.

Am Montag kommt er früh in die Sprech­stunde und berichtet, dass er am Samstag wieder einmal sehr lange und intensiv im Schreber­garten tätig gewesen sei. Am Sonntag­abend seien ihm dann zwei Zecken in der rechten Achselhöhle und am rechten Ober­schenkel aufgefallen, die er mit der Pinzette entfernt habe. Er sei sich aber nicht sicher, ob er alle Zecken­bestand­teile entfernen konnte.

Bei der körperlichen Unter­suchung stellen sich die beiden Einstich­stellen mit jeweils einem dunklen Fleck in der Mitte – vermutlich dem Rest des Zecken­kopfes – und einer kreis­runden Rötung an der rechten Achsel­höhle dar. Die dunklen Flecken werden mit einem Skalpell unter Mitnahme der regio­nalen Haut­ober­fläche entfernt, ein lokal anti­biotisch wirk­sames Gel wird aufge­bracht und eine Blut­entnahme für einen Anti­körper­nachweis sowie eine Blut­zucker- und HbA1c-Bestimmung zur Kon­trolle der diabe­tischen Stoff­wechsel­lage werden vorgenommen. Der Tetanus­schutz ist vorhanden.

Der Patient wird ausführlich, insbe­sondere auch im Hinblick auf seine Stoff­wechsel­erkrankung, über die Gefahren eines solchen Zecken­stichs aufgeklärt. Er soll in den nächsten Tagen weiter das Anti­biotika-Gel auf die infi­zierten Stellen auf­tragen und insbe­sondere auf die weitere Entwick­lung bei der Rötung an der rechten Achsel­höhle achten. Eine telefonische Über­mitt­lung des Labor­ergeb­nisses wird ihm zugesagt. Zur Kon­trolle soll er sich nach Vorlage des Labor­ergeb­nisses aber nach einer Woche noch einmal persönlich in der Praxis vorstellen.

In Tabelle 1 sind die Leistungs­positionen aufgeführt, die in einem solchen Fall nach dem Einheit­lichen Bewertungs­maßstab (EBM) zur Abrech­nung kommen können. Beachtens­wert ist dabei, dass nach der EBM-Abrech­nung für weitere Arzt-Patienten-Kontakte (APK) wegen des Zecken­befalls keine weiteren Leistungen berechnungs­fähig sind, es sei denn, es kommt noch zu zwei weiteren APK, z. B. weil die Wunde kontrolliert werden muss und/oder weil der Anti­körper­nachweis positiv ausfällt. In diesem Fall käme die höher bewertete GOP 02310 (212 Punkte/26,27 Euro) unter Wegfall der GOP 02301 zum Ansatz. Wenn kein weiteres längeres Gespräch erforderlich ist, z. B. weil der Diabetes mellitus Typ II gut eingestellt ist und/oder der Anti­körper­test negativ ausfällt, können die GOP 03221 und 03230 nicht berechnet werden. Ebenso kommt der Ansatz der GOP 01435 oder 01430 für die telefo­nische Über­mittlung des Labor­ergebnisses bei einer Einzel­praxis nicht in Betracht, da diese Leistungen im Arztfall nicht neben der Versicherten­pauschale berechnungs­fähig sind.

Tabelle 1:

EBM

Leistungslegende

Punkte/Euro

03004

Versichertenpauschale ab Beginn des 55. bis zum voll­endenten 75. Lebensjahr

148/18,34

03220

Chronikerpauschale I wegen DM Typ II

130/16,11

02301

Operative Entfernung eines unter der Ober­fläche von Haut oder Schleim­haut gelegenen Fremd­körpers nach Aufsuchen durch Schnitt, einmal am Behand­lungstag

133/16,48

03230

Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das auf­grund von Art und Schwere der Erkran­kung erforder­lich ist, 11 Minuten

128/15,86

32025

Quantitative Bestimmung des Glucose­wertes im Blut

1,60

Bei der Gebührenordnung-für-Ärzte(GOÄ)-Abrech­nung nach Tabelle 2 muss man berück­sichtigen, dass die Zecken­ent­fernung und der Ver­band jeweils zweifach berech­nungs­fähig sind und in beiden Fällen der jeweilige Kosten­ersatz zur Abrech­nung kommen kann. Dabei kann das Anti­biotika-Gel in Rechnung gestellt oder ver­ordnet werden, da es nicht nur einmalig zum Einsatz kommt. Beim Ansatz der Nr. 1 ist darüber hinaus wegen des längeren Gesprächs der Ansatz des 3,5-fachen Satzes möglich. Bei den ggf. erforderlichen Kontroll­terminen könnten jeweils die Nrn. 1 und 5 berechnet werden, wenn keine zusätzlichen Sonder­leistungen nach den Abschnitten C bis O anfallen.

Tabelle 2:

GOÄ

Leistungslegende

Faktor

Euro

1

Ausführliche Beratung wegen erhöhtem Infektions­risiko

3,5

16,31

5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

10,72

250

Venöse Blutentnahme

1,8

4,19

3514

Bestimmung Glucosewert im Blut (in der Praxis)

1,15

4,69

2009

x2

Entfernung von zwei unter der Ober­fläche der Haut oder der Schleim­haut gelegenen fühlbaren Fremd­körpern

2,3

26,82

200

x2

Verband rechte Achsel, rechter Ober­schenkel

2,3

12,05

Kosten nach § 10 GOÄ: Anti­biotika-Gel anteilig, Verband­material 2x BG-NT

6,25

2,56

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.