Wie Rabattverträge bei Arzneimittelprüfungen berücksichtigt werden und was man per Video verordnen darf!

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Bisher sind Einsparungen der Kassen durch Arzneimittel-Rabatt­verträge bei der Vorauswahl zur Wirtschaft­lichkeits­prüfung nicht berücksichtigt worden. Vertragsärzte sind so aus rein statistischen Gründen in Prüf­verfahren verwickelt worden. Das wurde jetzt geändert! Neu ist auch, dass nach der Video-AU jetzt auch Video-Verordnungen von Heil­mitteln, häus­licher Kranken­pflege und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation möglich sind.

Bei der Arzneimittel­verordnung wurden Vertrags­ärzten bisher Summen zugeordnet, die den Kassen überhaupt nicht entstanden sind. Wer eine signifikante Über­schreitung bei der Arznei­mittel­verordnung hatte, kam aber in ein Prüf­verfahren und – das ist bekannt – wenn erst einmal geprüft wird, finden die Prüf­gremien der Kassen­ärztlichen Vereini­gungen meist auch etwas. Das soll nun vorbei sein. Die seit dem 1. Januar 2023 gültigen neuen Rahmen­vorgaben gewähr­leisten, dass weniger Ärzte als bisher von Verfahren der Richt­größen- oder Durch­schnitts­prüfungen bei der Arznei­mittel­verordnung betroffen sind. Wie die Kassen­ärztliche Bundes­vereinigung (KBV) mitteilt, habe man sich mit dem GKV-Spitzen­verband auf eine Anpassung der Rahmen­vorgaben zu den Wirtschaft­lichkeits­prüfungen für ärztlich verordnete Leistungen entsprechend geeinigt.

Historie

Nach den gescheiterten Verhandlungen über die Rahmen­vorgaben zu den Wirtschaft­lichkeits­prüfungen hatte das Bundes­schiedsamt am 10. Mai 2022 eine Entscheidung getroffen, Regelungen zur Berück­sichtigung von Rabatt­verträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V aber offengelassen. Es bewertete den von der KBV eingebrachten Vorschlag zwar grund­sätzlich positiv, beauftragte aber die Bundes­vertrags­partner, hierüber noch einmal zu verhandeln. In dem Schieds­verfahren hatte die KBV gefordert, dass bei statistischen Auffällig­keits­prüfungen auf Basis des Apotheken­verkaufs­preises von Arznei­mitteln in der Verordnungs­statistik des Arztes jeweils nur die Kosten des günstigsten Arznei­mittels mit dem gleichen Wirk­stoff, der gleichen Wirk­stärke und der gleichen Packungs­größe berücksichtigt werden. Dies sollte für biosimilare und generikafähige Arznei­mittel gelten, für die mit den jeweiligen Kranken­kassen ein Rabatt­vertrag nach § 130a Abs. 8 SGB V abgeschlossen worden war. Hintergrund der Forderung der KBV war, dass Ärzte bei der Verordnung günstiger Generika durch die regelhafte Aut-idem-Substitution in Apotheken ungerecht­fertigt mit einem höheren Apotheken­verkaufs­preis belastet wurden. Dies war immer dann der Fall, wenn der Apotheken­verkaufs­preis des abgegebenen, rabattierten Präparats höher war als der des verordneten Medikaments. Praxen hatten infolgedessen ein höheres Verordnungs­volumen und konnten so eher in die Prüfung geraten. Die dem Arzt zu Unrecht angelasteten Kosten wurden bislang lediglich von der Regresssumme abgezogen.

Mit dem jetzt erzielten Verhandlungs­ergebnis konnte die KBV erreichen, dass Einsparungen aus Rabatt­verträgen für biosimilare und generika­fähige Arzneimittel bereits bei der Vorab­prüfung berücksichtigt werden. Dadurch verringert sich das arztbezogene Verordnungs­volumen und somit die Gefahr für den Arzt, dass er in eine Prüfung gerät.

Dabei soll wie folgt vorgegangen werden:

  • In der Verordnungsstatistik des Arztes für die Vorabprüfung werden jeweils nur die Kosten des günstigsten Arznei­mittels mit dem gleichen Wirkstoff, der gleichen Wirkstärke und der gleichen Packungs­größe berücksichtigt.
  • Die Krankenkassen haben alternativ die Möglichkeit, vom Verordnungs­volumen die arztbezogen ermittelten Einsparungen abzuziehen, die sie aufgrund von Rabatt­verträgen erzielt haben.

Im Rahmen der Verhandlungen hatte der GKV-Spitzen­verband darauf hingewiesen, dass nicht alle Kranken­kassen technisch in der Lage seien, die Forderung der KBV umzusetzen, und daher für diese Kranken­kassen ein alternatives Vorgehen möglich sein müsse. Die Kranken­kassen sind nun aber verpflichtet, die Einsparungen bei den Vorab­prüfungen entsprechend zu berück­sichtigen.

Videosprechstunde bald auch bei veranlassten Leistungen möglich!

Nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundes­ausschusses (G-BA) vom 19. Januar 2023 können nun auch ärztliche Leistungen, die im Rahmen einer Verordnung von Heilmitteln, häuslicher Kranken­pflege und Leistungen zur medizinischen Rehabi­litation erforderlich sind, per Videosprechstunde erbracht werden. Bei Heilmitteln bzw. häuslicher Kranken­pflege sind auf diesem Weg allerdings nur sogenannte weitere Verordnungen bzw. Folge­verordnungen möglich, während erstmalige Verordnungen ausgeschlossen sind.

Konkret müssen bei der Verordnung von Heilmitteln, häuslicher Krankenpflege und medizinischer Rehabilitation per Videosprechstunde die folgenden Kriterien beachtet werden:

  1. Die jeweiligen medizinischen Verordnungs­voraus­setzungen, etwa die verordnungs­relevante Diagnose, müssen bereits durch eine unmittelbare persönliche Unter­suchung festgestellt worden sein.
  2. Ob die medizinischen Voraus­setzungen für einen Leistungs­anspruch zum Zeitpunkt der Verordnung (weiterhin) bestehen, muss per Video­sprech­stunde sicher beurteilt werden können. Bestehen Zweifel, ist nochmals eine unmittelbare körperliche Unter­suchung notwendig.
  3. Die Erstverordnung von Heil­mitteln und häus­licher Kranken­pflege per Video­sprech­stunde ist generell nicht möglich. Diese Einschränkung gilt nicht bei der Verordnung von Leistungen zur medizi­nischen Rehabi­litation, da diese ohnehin einmalig erfolgt.
  4. Sind dem Verordner zusätzlich alle verordnungs­relevanten Informa­tionen bekannt, können weitere Verord­nungen bzw. Folge­verord­nungen für Heilmittel bzw. häusliche Kranken­pflege nicht nur per Video­sprech­stunde, sondern ausnahms­weise auch nach Telefon­kontakt ausgestellt werden.

Ein Anspruch auf eine solche Verordnung per Video­sprech­stunde ohne unmittelbaren persönlichen Kontakt besteht allerdings nicht.

Möglich sein dürfte eine solche Inanspruchnahme per Video­sprech­stunde ab Oktober 2023, wenn die Richt­linien­änderungen durch das Bundesm­inisterium für Gesundheit (BMG) rechtlich nicht beanstandet wurden und der G-BA die Beschlüsse im Bundes­anzeiger veröffentlicht hat. Anschließend entscheidet der Bewertungs­ausschuss der Ärzte und Kranken­kassen (BA) innerhalb von 6 Monaten über die Höhe der ärztlichen und psycho­therapeu­tischen Vergütung. Als Verordnungs­leistung ist bisher bereits die Feststellung von Arbeits­unfähigkeit per Video­sprech­stunde geregelt.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.