Sonstige Kostenträger: Dazu gehört auch die Abrechnung bei Ukraine-Flüchtlingen!

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Die Abrechnung bei sog. Sonstigen Kostenträgern, z. B. bei ausländischen Patienten oder Asylbewerbern, stellt ein breites Spektrum an abrechnungs­technischen Sonderfällen dar. Aktuell spielt dieses Thema im Hinblick auf die Behandlung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eine Rolle. Auch das fügt sich aber in ein vorhandenes „Netzwerk“ von Versorgungs­leistungen ein.

Während bei gesetzlich Krankenversicherten durch Vorlage der elektronischen Gesundheits­karte (eGK) klar ist, bei welcher Krankenkasse sie versichert sind und wie die Abrechnung funktioniert, ist dies bei Sonderfällen wie Versicherten aus dem Ausland, Asyl­bewerbern oder Angehörigen der Bundeswehr nicht so eindeutig erkennbar.

Aktuell: Bei Menschen aus der Ukraine, die im Rahmen der Kriegshandlungen nach Deutschland geflüchtet sind und medizinische Hilfe benötigen, greift das Asyl­bewerber­leistungs­gesetz (AsylbLG), da mit der Ukraine kein bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit besteht – zumindest sofern und solange es hier keine Sonderregelung gibt.    
Es besteht deshalb ein Anspruch auf die folgenden Leistungen:

  • Behandlung akuter Erkrankungen und von Schmerz­zuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen
  • Schutzimpfungen und medizinisch gebotene Vorsorge­vuntersuchungen
  • Umfassende Versorgung bei Schwangerschaft und Geburt

Unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt ausgesetzt waren, haben darüber hinaus Anspruch auf eine über eine allgemeine medizinische Versorgung hinausgehende besondere medizinische Hilfe und sonstige Hilfen. Dazu gehört die Behandlung von physischen und psychischen Langzeitfolgen einer Verfolgung, die sich nicht bereits als akute Erkrankung oder Schmerzzustand äußern.          
Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind gesetzlich Krankenversicherten leistungs- und verfahrensrechtlich gleichgestellt. Die deutschen Krankenkassen müssen deren Krankenbehandlung deshalb gegen Kostenerstattung übernehmen, wobei die Berechtigten eine Krankenkasse frei wählen und eine elektronische Gesundheitskarte erhalten können. Die Abrechnung der Gesundheitsleistungen erfolgt über die Gesundheitskarte und damit über die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV).

So funktioniert das Asyl­bewerber­leistungs­gesetz!

Die Behandlung von Patienten, die im Rahmen des Asyl­bewerber­leistungs­gesetzes anspruchs­berechtigt sind, ist eigentlich auf Bundesebene geregelt, doch die Handhabung in den einzelnen Bundesländern, Städten und Gemeinden unterscheidet sich im Detail.

Leistungs­berechtigte nach § 4 AsylbLG haben im Vergleich zu gesetzlich Kranken­versicherten einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische Versorgung. Nach § 6 AsylbLG können aber auch sonstige, über die genannten Sachverhalte hinaus­gehende (ärztliche) Leistungen im Einzelfall gewährt werden, wenn diese zur Sicherung des Lebens­unterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Hierfür ist allerdings die vorherige Genehmigung durch die zuständige Behörde einzuholen. Asyl­bewerber haben in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes („Wartezeit“) in Deutschland nur einen Anspruch auf Basis­versorgung. Jede weiterführende Leistung muss im Einzelfall vom Kostenträger (in den Gemeinden sind das in der Regel die Sozialämter) genehmigt werden. Zur Basis­versorgung gehört die ärztliche Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie die Gewährung sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheits­folgen erforderliche Leistungen, Gewährung von ärztlicher und pflegerischer Hilfe und Betreuung, von Hebammenhilfe sowie von Arznei-, Verbandmitteln für Schwangere und Wöchnerinnen und Verabreichung amtlich empfohlener Schutz­impfungen.

Es kann auch vorkommen, dass Patienten mit einer Kopie eines Schreibens in die Praxis kommen, mit dem man (nach Ausfüllen der Felder für die Personalien) den Behandlungs­schein bei der zuständigen Stelle anfordern muss. Auf einigen Behandlungs­scheinen sind Einschränkungen bei der Gültigkeits­dauer vermerkt, diese müssen unbedingt beachtet werden! Sollte wegen einer akuten Behandlung eine Überweisung notwendig sein, muss unbedingt die eingeschränkte Gültigkeits­dauer auf den Überweisungs­schein übernommen werden. Asyl­bewerber sind grundsätzlich in den ersten 15 Monaten von den Zuzahlungen befreit. Arznei- und Verbandmittel sind im Rahmen der Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände verordnungsfähig. Für Heilmittel, Brillen, orthopädische oder andere Hilfsmittel ist eine Genehmigung des Sozialhilfe­trägers erforderlich.   

Asylbewerber, die länger als 15 Monate in Deutschland sind, erhalten eine elektronische Gesundheits­karte, mit der sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Kranken­versicherte. In einigen Bundesländern (z. B. NRW) erhalten die Asylbewerber von Anfang an eine eGK. Daher sollte man auf die „besondere Personengruppe“ auf der eGK achten. Personen, die noch keine 15 Monate in Deutschland leben, erhalten den Zusatz „9“; Personen, die sich schon länger als 15 Monate in Deutschland aufhalten, erhalten den Zusatz „4“. Von ihnen muss der Gebühren­befreiungs­ausweis der Krankenkasse vorgelegt werden, sonst sind diese Patienten nicht mehr gebührenbefreit.

Diese Regelungen gelten bei (bestimmten) Auslandspatienten!

Wenn ein ausländischer Tourist in Deutschland erkrankt und zum Arzt geht, kann man die Abrechnungs­regelungen in drei Gruppen fassen:

  • Patienten aus den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz legen die Europäische Kranken­versicherungs­karte („European Health Insurance Card“, kurz: EHIC) vor, wenn sie sich vorübergehend (und zwar nicht aus medizinischen Gründen) in Deutschland aufhalten, also z. B. Touristen, Studenten und entsandte Arbeit­nehmer.  
    Am EHIC-Verfahren nehmen Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien*, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern (griechischer Teil) teil.
    Statt der EHIC kann auch eine „Bescheinigung als provisorischer Ersatz für die Europäische Kranken­versicherungs­karte“ (Provisorische Ersatzbescheinigung, kurz: PEB) vorgelegt werden. Davon sollte man zwei Kopien erstellen und anhand des Personal­ausweises oder des Reisepasses die Identität des Patienten klären. Der im Ausland Versicherte muss in jedem Fall vor Beginn der Behandlung beim Vertragsarzt die „Patienten­erklärung europäische Kranken­versicherung“ ausfüllen und unterschreiben. Diese Erklärung ist in der Praxissoftware in 13 verschiedenen Sprachen hinterlegt. Der Patient muss außerdem die von ihm gewählte deutsche aushelfende Krankenkasse angeben. Eine Kopie der EHIC/PEB sowie das Original der Patientenerklärung Europäische Kranken­versicherung muss tagesgleich an die vom Patienten gewählte Kranken­kasse geschickt werden. Die zweite Kopie der EHIC/PEB sowie die Kopie der Patientenerklärung müssen in der Praxis-Dokumentation für 2 Jahre aufbewahrt werden.          
    Die betreffenden Patienten haben Anspruch auf alle Leistungen, die sich während ihres Aufenthalts in Deutschland als medizinisch notwendig erweisen, egal ob es sich um die Behandlung akuter Erkrankungen oder eine (Vorsorge-)Untersuchung handelt, die nicht bis zur Rückkehr ins Heimatland aufgeschoben werden sollte. Auch die Weiter­behandlung bereits bestehender Erkrankungen ist mit der EHIC möglich, aber nur, wenn eine solche Erkrankung nicht der Grund für die Reise nach Deutschland war.     
    Für Versicherte aus Großbritannien hat sich diesbezüglich nach dem EU-Austritt zunächst nichts geändert. In Deutschland Studierende bekommen jedoch eine befristete Europäische Kranken­versicherungs­karte mit dem Kürzel „DE“ für Deutschland. Nur dann ist die Karte in Deutschland zur Abrechnung mit einer aushelfenden deutschen Krankenkasse gültig.
  • Patienten aus Ländern mit bilateralem Abkommen können auch einen Abrechnungsschein vorlegen. Solche Abkommen bestehen mit Albanien, Australien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Chile, China, Indien, Israel, Japan, Kanada (inklusive Québec), dem Kosovo, Kroatien, Marokko, Mazedonien, Moldau, Montenegro, den Philippinen, Südkorea, Serbien, der Türkei, Tunesien, Uruguay und den USA. Der Leistungsumfang ist hier kleiner als bei Patienten mit der EHIC. Die Krankenkassen geben ein bundesweit einheitliches Formular an diese Patienten aus, das „Nationaler Anspruchsnachweis“ heißt. Diesen Nachweis legen die Patienten in der Praxis vor. Darin steht, welche Leistungen in welchem Zeitraum in Anspruch genommen werden dürfen. Die Abrechnung selbst erfolgt auf einem sogenannten Ersatzschein.
  • Patienten, die keinen bzw. nicht den richtigen Anspruchsnachweis vorlegen, erhalten für die Behandlung eine Rechnung nach GOÄ. Hier gelten die üblichen Regelungen nach § 12 GOÄ. Es empfiehlt sich, einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten abzuschließen und vor Behandlungsbeginn deutlich zu machen, dass die Rechnung sofort im Anschluss an die Behandlung direkt bar zu bezahlen ist.

Das sind die übrigen „Sonstigen Kostenträger“!

Manchmal kommen Patienten mit Abrechnungsscheinen, die man auf den ersten Blick nicht so recht zuordnen kann. Das betrifft insbesondere folgende Personengruppen:

  • Personen, die im Rahmen der Kriegsopferversorgung (KOV) bzw. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anspruchsberechtigt sind und entweder einen Bundesbehandlungsschein für Beschädigte oder eine eGK vorlegen. Anspruch auf Heilbehandlung besteht hier nur für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind. Alle anderen Gesundheitsstörungen müssen von der normalen Krankenversicherung des Patienten übernommen werden. Der Bundesbehandlungsschein für Beschädigte ist rot und hat zwei Seiten. Die erste Seite ist an die KV zur Abrechnung mitzusenden und die zweite Seite ist umgehend an die entsprechende Krankenkasse zu übermitteln. Im Falle einer nötigen Überweisung muss vom Patienten ein neuer Behandlungsschein beantragt werden. Dieser ist dann orange und wird von der Krankenkasse selbst ausgestellt. 
  • Patienten, die als Bundeswehrangehörige, Polizeibeamte bzw. Beamte der Bundespolizei anspruchsberechtigt sind (Heilfürsorgeberechtigte), besitzen normalerweise einen Abrechnungsschein der Behörde. Polizeibeamte werden seit einiger Zeit mit Krankenversicherungskarten (ohne Bild) ausgestattet. Das Praxisverwaltungssystem (PVS) fragt nach einem SKT-Zusatz oder einer Personenkennziffer. Diese ist auf dem Abrechnungsschein angegeben.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.