Honorarentbudgetierung und Mehrfachverordnung – hier lauert eine Regressgefahr

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Die Entbudgetierung des haus­ärzt­lichen Honorars zum 1. Oktober 2025 ist beschlossene Sache. Im Detail fehlen noch einige Regelungs­elemente, dies aber nicht nur im Ein­heit­lichen Bewer­tungs­maßstab (EBM), sondern auch bei der Arznei­mittel­ver­ord­nung. Hier droht sogar eine Regress­gefahr, weil ein Problem in der vertrags­ärzt­lichen Selbst­verwaltung als nicht lösbar erscheint.

Ein gut gemeinter Ansatz bei der Entbudgetierung

Ausgangspunkt für die Neu­rege­lung beim haus­ärzt­lichen Honorar ist das Gesetz zur Stär­kung der Gesund­heits­ver­sorgung in der Kommune (Gesund­heits­ver­sor­gungs­stär­kungs­gesetz – GVSG). Das schreibt aller­dings neben der Ent­budge­tierung der haus­ärzt­lichen Gebühren­ord­nungs­posi­tionen (GOP) und Haus­besuche auch die Ein­führung von zwei neuen GOP vor – einer Vor­halte­pauschale und einer Ver­sor­gungs­pauschale. Letztere wirkt auf den ersten Blick harmlos, hat es in einem bestimmten Detail aber in sich – und das schon vor dem Start im 4. Quartal 2025.

Diese Leistung soll ab dem vollendeten 18. Lebensjahr bei Patientinnen und Patienten mit chro­nischen Erkran­kungen berech­nungs­fähig sein, die einer kon­ti­nu­ier­lichen Ver­sor­gung mit einem bestimmten Arznei­mittel bedürfen, aber keinen inten­siven Betreuungs­bedarf haben. Konkret schreibt das Gesetz vor, dass diese Ver­sor­gungs­pauschale in diesem Fall beim ersten Kontakt im Quartal für 4 oder 2 Quartale (im Voraus) gezahlt wird. Hinter­grund dieser Neu­regelung ist, dass der Gesetz­geber glaubt, auf diese Art und Weise Patientinnen und Patienten mit nicht so behand­lungs­intensiven Erkran­kungen davon abhalten zu können, nur zwecks Ver­ordnung eines Wieder­holungs­rezeptes die Praxis aufzusuchen.

Gedacht wird dabei an Krankheits­fälle wie z. B. eine Hypo­thyreose, eine ganz­jährige Allergie, eine Insomnie oder auch einen gut eingestellten Hyper­tonus. Ziel ist es, auf diesem Weg eine büro­kratische Entlastung der haus­ärzt­lichen Praxen zu schaffen.

Hier lauert nun die Gefahr

Obgleich der Einsatz des elektro­nischen Rezeptes (E-Rezept) noch sehr in den Kinder­schuhen steckt, gibt es seit dem 1. April 2023 ein Umsetzungs­problem. Künftig muss die Praxis­sof­tware bei E-Rezepten die Aus­stellung von sogenannten Mehr­fach­ver­ord­nungen ermög­lichen und damit die nach § 31 Abs. 1b SGB V erfor­der­lichen Funk­tio­nali­täten anbieten. Demnach dürfen Apo­theken ein Arznei­mittel bis zu 4-mal inner­halb eines Jahres abgeben, voraus­gesetzt, das Rezept trägt eine ent­sprechende Kenn­zeichnung. Die Anzahl der Abgaben sowie der Beginn ihrer jewei­ligen Einlöse­frist muss die ver­ord­nende Ärztin bzw. der verord­nende Arzt festlegen, wobei das Ende der Einlöse­frist optional eben­falls angegeben werden kann. Es darf aber maximal 365 Tage nach dem Aus­stellungs­datum liegen. Damit soll eine länger­fristige Ver­sor­gung von Ver­sicherten mit einem kon­tinuier­lich benö­tigten Arznei­mittel ermöglicht werden. An dieser Stelle kreuzen sich nun die Wege der Mehr­fach­ver­ord­nung und der neuen Ver­sor­gungs­pauschale.

Auf papier­gebundenen Ver­ord­nungen war auf­grund der damit ver­bun­denen tech­nischen Probleme bisher keine Mehr­fach­ver­ord­nung mög­lich. Das ist auch gut so, denn solche Mehrvfach­ver­ord­nungen können Aus­wir­kungen auf die ggf. prü­fungs­rele­vanten Ver­ord­nungs­kosten in den nach­fol­genden Quar­talen haben, in denen die jeweiligen Einzel­ver­ord­nungen eingelöst werden. Diesen Ver­ord­nungs­kosten steht nämlich ggf. im betreffenden Quar­tal kein Behand­lungs­fall gegen­über. Die Kassen­ärzt­liche Bundes­ver­eini­gung (KBV) empfiehlt deshalb, solche Mehr­fach­ver­ord­nungen zu doku­men­tieren, um im Falle einer Wirt­schaft­lich­keits­prüfung ent­sprechend argu­men­tieren zu können. Eine Regelung auf Ver­wal­tungs­ebene sei nicht mög­lich, da aufgrund der freien Kon­fi­gu­rier­bar­keit der Gesamt­gül­tig­keit sowie der variablen Einlöse­fristen der einzelnen Ver­ord­nungen, die nicht zwangs­läufig in mehreren Quar­talen liegen müssen, kein all­gemein­gültiger Mecha­nismus definiert werden könne, um diese Budget­effekte der Mehr­fach­ver­ord­nung zu berück­sichtigen.

Fazit

Die Nutzung dieser Mehrfachverordnung lag bisher im ärztlichen Ermessen, denn Ver­sicherte haben hierauf keinen gesetz­lichen Anspruch. Man konnte das Problem dadurch lösen, dass man keine Mehr­fach­ver­ord­nungen ausgestellt hat. Mit der Einführung einer Ver­sor­gungs­pauschale, deren zentrales Ziel eine solche Mehr­fach­ver­ord­nung ist, ändert sich dies nun. Will man die Ver­sor­gungs­pauschale bei chronisch Kranken zum Ansatz bringen, die zwar keinen inten­siven Ver­sor­gungs­bedarf haben, aber eine kon­ti­nu­ier­liche Ver­ord­nung von Arznei­mitteln benötigen, kommt man an einer Mehr­fach­ver­ord­nung per E-Rezept nicht mehr vorbei.

Eine Lösung der daraus resul­tie­renden Problematik bei der Beur­teilung der Ver­ord­nungs­mengen einer Praxis im Rahmen der Wirt­schaft­lich­keits­prüfung könnte jedoch aus eben­jener neuen Ver­sor­gungs­pauschale selbst resul­tieren. Man muss schließ­lich bei Fällen, die nun mit der Ver­sor­gungs­pauschale gekennzeichnet sind, nur die resul­tierende Verordnungs­menge durch 4 (oder ggf. durch 2) teilen, dann stimmt die Statistik wieder und die Prüf­gremien können sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen als der nach­träg­lichen Analyse der Verordnungs­tätigkeit einer Praxis.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.