Hausärzte können Paxlovid® zur Behandlung von COVID-19 direkt abgeben: So muss es gemacht werden!

      Abrechnung     Meine Praxis; SARS-CoV-2

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Vertragsärztlich oder auch nicht vertragsärztlich tätige niedergelassene Hausärzte haben seit dem 18. August 2022 die Möglichkeit, bis zu fünf Packungen des antiviralen Medikaments Paxlovid® in ihrer Praxis vorrätig zu halten und im Bedarfsfall direkt an Patienten abzugeben.

Auf der Grundlage der „Vierten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ hat die Bundesregierung zu Beginn des Jahres 2022 das oral anwendbare, antivirale Arzneimittel Paxlovid® zentral beschafft und bislang ca. 460.000 Therapieeinheiten an den pharmazeutischen Großhandel ausgeliefert; weitere ca. 540.000 Therapieeinheiten sollten im Verlauf des Jahres 2022 folgen.

Hausärzte können Paxlovid® nach der gesetzlichen Vorgabe über eine Apotheke als Verordnung ohne Namensnennung auf dem Arzneimittelrezept (Muster 16) beziehen, das auf das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als Kostenträger mit dem IK 103609999 ausgestellt ist. Empfohlen wird, dies mit der Apotheke abzuwickeln, aus der üblicherweise auch der Sprechstundenbedarf der Praxis bezogen wird.

Nach Abgabe des Arzneimittels können in entsprechender Anzahl Nachbestellungen bis zum Erreichen der vorgeschriebenen Bevorratungsmenge erfolgen.

Die zugrundeliegende Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sieht vor, dass dem Patienten zusammen mit dem Arzneimittel ein Informationsblatt aushändigt wird. Diese Patienteninformation kann über die Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) heruntergeladen werden (www.bfarm.de/covid-19-arzneimittel).

Vergütung:

Die Vergütung ist auf den verschiedenen Versorgungsebenen unterschiedlich geregelt. Nach § 4a der Verordnung erhält der Großhändler 20 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je abgegebene Packung. Das Honorar des Apothekers beträgt 15 Euro, wenn die Abgabe an Ärzte erfolgt, die Anspruch auf eine Vergütung haben. Sofern die Abgabe über einen Botendienst erfolgt, kommt jeweils eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 8 Euro hinzu.

Der Aufwand im Zusammenhang mit der Abgabe des Medikaments durch Hausärzte wird laut BMG-Verordnung ebenfalls pauschal mit 15 Euro je abgegebener Packung vergütet. Diese Regelung war zunächst bis zum 30. September 2022 beschränkt. Mittlerweile ist sie bis zum 7. April 2023 verlängert worden!

Die (haus)ärztliche Leistung muss mit der Pseudoziffer 88125 – wie beim Impf- oder Testhonorar im Rahmen der SARS-CoV-2 Pandemie – über die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) abgerechnet werden.

Vollstationäre Pflegeeinrichtungen können ebenfalls maximal fünf Therapieeinheiten (größere Einrichtungen mit mehr als 150 Bewohnern bis zu zehn Packungen) Paxlovid® aus einer Apotheke beziehen und vorrätig halten. Die Abgabe an die Bewohner erfolgt auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung, egal welcher Fachrichtung, ebenfalls ohne Namensnennung und zulasten des Kostenträgers BAS.

Bei der Verordnung für die Hausarztpraxis oder die stationäre Pflegeeinrichtung muss die neue BUND-PZN 18268938 verwendet werden.

Die Apotheken erhalten in diesem Fall auch eine Vergütung in Höhe von 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je abgegebene Packung und zusätzlich 8 Euro bei Belieferung über einen Botendienst.

Unabhängig von der neuen Regelung und dem dort festgelegten „Budget“ ist es auch möglich, dass Haus- und Fachärzte patientenindividuell Verordnungen ausstellen, die von den Patienten in der Apotheke eingelöst werden können. In diesem Fall muss bei der Verordnung die BUND-PZN 17977087 angegeben werden. Der Apotheker erhält für den Aufwand, der mit dieser Abgabe entsteht, eine Vergütung in Höhe von 30 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je abgegebene Packung zuzüglich 8 Euro bei Übermittlung durch einen Botendienst.

Bei dieser Direktverordnung oder der Verordnung zur Abgabe in stationären Pflegeeinrichtungen ist eine hausärztliche Abrechnung der Pseudonummer 88125 nicht möglich.

Indikationen:

Paxlovid® soll zur Behandlung von symptomatischen, nicht hospitalisierten Patienten mit COVID-19 ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf und erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf eingesetzt werden. Die EU Kommission hat am 28.01.2022 eine bedingte Zulassung für Paxlovid® erteilt. Das Arzneimittel unterliegt noch einer zusätzlichen Überwachung.

Das Präparat selbst besteht aus zwei Wirkstoffen, Nirmatrelvir und Ritonavir, in zwei verschiedenen Tabletten und sollte so früh wie möglich und innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn verabreicht werden. Über die Abgabe oder Verschreibung entscheidet der Arzt nach patientenindividueller Abwägung. Entscheidungskriterien für die Anwendung von Paxlovid® sind der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zufolge vor allem hohes Alter und das Vorliegen mehrerer Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes, Immundefizienz oder -suppression, chronische Niereninsuffizienz, Krebs sowie Herz- und Lungenerkrankungen.

Die empfohlene Dosierung beträgt nach Herstellerangaben 300 mg Nirmatrelvir (zwei 150-mg-Tabletten) und 100 mg Ritonavir (eine 100-mg-Tablette) zur gleichzeitigen Einnahme alle zwölf Stunden über einen Zeitraum von fünf Tagen.

Auf diese Informationsquelle verweist das Bundesgesundheitsministerium im Zusammenhang mit der Abgabe oder Verordnung des Arzneimittels Paxlovid®:

https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/COVRIIN/FG_COVRIIN_node.html

Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Gegenanzeigen:

Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns, Durchfall, Erbrechen und Kopfschmerzen. Wenn ein Patient innerhalb von 30 Minuten nach Einnahme erbricht, sollte die gesamte Dosis nochmals eingenommen werden; bei Erbrechen nach mindestens 30 Minuten nach der Einnahme ist keine zusätzliche Dosis erforderlich und der Rest des Behandlungsverlaufs kann abgeschlossen werden.

Paxlovid® darf nicht mit bestimmten anderen Medikamenten verabreicht werden. Hinweise zu solchen – recht umfangreichen – Wechselwirkungen bietet eine Übersicht der Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut. Auch Patienten mit stark eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion sollten das Präparat nicht erhalten.

Laut Fachinformation wird die Anwendung von Paxlovid® während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmittel anwenden, nicht empfohlen. Patientinnen, die kombinierte hormonelle Kontrazeptiva anwenden, sollte geraten werden, während der Therapie mit Paxlovid® und bis zum ersten Menstruationszyklus nach Beendigung der Therapie eine andere wirksame Methode zur Empfängnisverhütung oder eine zusätzliche Barrieremethode anzuwenden, da die Anwendung von Ritonavir die Wirksamkeit kombinierter hormoneller Kontrazeptiva verringern kann.

Die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist bisher nicht erwiesen. Es sind hier wie auch zur Anwendung in der Stillzeit keine Daten vorhanden.

Wichtige Beispiele für Kontraindikationen:

KlasseWirkstoff
AnalgetikaPethidin, Piroxicam, Propoxyphen
AntianginosaRanolazinn
AntihistaminikaAstemizol, Terfenadin
LipidsenkerLovastatin, Simvastatin
PDE-5-InhibitorenAvanafil, Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil (nicht mehr als 10 mg/72 Stunden)
Pflanzliche ZubereitungenJohanniskraut

Wichtige Beispiele für mögliche Wechselwirkungen:

KlasseWirkstoff
FentanylRitonavir inhibiert CYP3A4. Plasmakonzentration kann ansteigen. Überwachung auf Atemdepression empfohlen.
RivaroxabanDie Inhibition von CYP3A und P-gp führt zu erhöhten Plasmaspiegeln, die zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen können. Anwendung von Paxlovid® und Rivaroxaban deshalb nicht empfohlen.
Amlodipin, Diltiazem, NifedipinAnstieg der Plasmakonzentrationen der Calciumkanalblocker ist zu erwarten.
Atorvastatin, Fluvastatin, Pravastatin, RosuvastatinAtorvastatin ist weniger auf den CYP3A-Metabolismus angewiesen, Rosuvastatin überhaupt nicht.
Bei gemeinsamer Anwendung mit Ritonavir aber kleinstmögliche Dosis empfohlen.
Pravastatin und Fluvastatin nicht abhängig von CYP3A und deshalb neben Paxlovid® möglich.

Quelle: www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/paxlovid

Fazit

Die Indikation zu einer Therapie mit Paxlovid® sollte entsprechend der AWMF-Empfehlung von einer entsprechenden klinischen Symptomatik und einem positiven Schnelltest mit ggf. einer Bestätigung durch einen PCR-Test abhängig gemacht werden, gefolgt von einer gründlichen anamnestischen Erhebung der Dauermedikation des Patienten, um Kontraindikationen und Wechselwirkungen zu vermeiden.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.