Gibt es Honorarregresse bei der Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars?
Längst sind nicht alle Details zur Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars geklärt. So stellt sich auch die Frage, ob es dort – ähnlich wie bei der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) – keine Honorarregresse mehr geben kann. Die Antwort überrascht nicht.
Ausgerechnet aus den eigenen Reihen kommt pünktlich zum Start der Euro-Gebührenordnung für Hausärztinnen und Hausärzte eine Warnung vor vermehrt möglichen Plausibilitätsprüfungen nach Zeitvorgaben: Entbudgetierte Leistungen könnten nicht beliebig häufig angesetzt werden, Plausibilitätsprüfungen und Begrenzungsregelungen des EBM blieben bestehen – meint zumindest eine KV aus einem bekannten Weinanbaugebiet am 24. Oktober 2025 auf ihrer Homepage. Die Frage ist, ob die betreffende KV versucht, die Interessen ihrer Beitragszahlerinnen und ‑zahler zu vertreten, und rechtzeitig vor einer Fehleinschätzung warnen oder eher einschüchtern will.
Stimmt das mit der Regressandrohung?
In der Tat ist es so, dass im zugrundeliegenden Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) ein neuer § 87a Abs. 3c in das SGB V eingefügt wurde, der Folgendes vorschreibt: „Leistungen des Versorgungsbereichs der allgemeinen hausärztlichen Versorgung einschließlich der in Zusammenhang mit diesem Versorgungsbereich erbrachten Hausbesuche sind ab dem 1. Oktober 2025 von den Krankenkassen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 vollständig zu vergüten, soweit diese Leistungen nach sachlicher und rechnerischer Prüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung anerkannt wurden (hausärztlicher Leistungsbedarf).“
Dazu muss man wissen, dass bereits jetzt nur die „Plausibilitäts- und Zeitprofilprüfungen nach § 106d SGB V in Verbindung mit den Prüfzeiten des Anhang 3 des EBM“ ausschließlich von den zuständigen KVen durchgeführt werden und eventuell auf dieser Ebene verhängte Regresse der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) zugutekommen. Das enthält nun einen zusätzlichen politischen Zündstoff, denn dieses Geld wird nicht etwa nur dem hausärztlichen Teil der MGV zugeführt, sondern geht in der Gesamt-MGV auf und kommt damit z. B. auch dem budgetierten fachärztlichen Honorar zugute.
Hier – und nur hier – ist deshalb Vorsicht geboten! Eine andere Form der Honorarregressgefahr hingegen verschwindet mit der Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars. Darauf verweist die „Weinanbau-KV“ in ihrer Informationsschrift auch zaghaft, obgleich das ein viel erwähnenswerterer „anxiolytisch“ wirksamer Effekt der neuen Regelung sein könnte. Dazu schreibt die KV: „Die Entbudgetierung betrifft ausschließlich die Vergütungssystematik des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM), nicht jedoch die Plausibilitätsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. Auch die Begrenzungsregelungen des EBM, zum Beispiel das Gesprächsbudget gelten weiterhin.“ Das bedeutet, zumindest die Wirtschaftlichkeitsprüfung des Honorars im (hausärztlichen) Fachgruppenvergleich gibt es mit der Entbudgetierung nicht mehr und damit haben die GKV-Kassen über die gemeinsamen Prüfgremien keine Möglichkeit, das hausärztliche Honorar, das sie nun ohne Wenn und Aber zahlen müssen, über die (ungeliebten) gemeinsamen Prüfgremien von Kassen und KV wieder zurückzuholen. Das wäre allerdings auch aberwitzig, denn mit den Kriterien-Regelungen zur neuen GOP 03040 (Vorhaltepauschale) werden Hausärztinnen und Hausärzte schließlich regelrecht verpflichtet, eine Mengenausweitung zu betreiben.
Wie kann man Plausibilitätsregresse vermeiden?
Aufgreifkriterium für eine Plausibilitäts- und Zeitprofilprüfung sind weiterhin mehr als 780 Stunden im Quartal und/oder an mindestens 3 Tagen über 12 Stunden im Tagesprofil an zeitbewerteten Leistungen. Es handelt sich dabei zwar nur um ein Aufgreifkriterium, das ggf. zu einer Prüfung führen kann. Man sollte es darauf aber nicht ankommen lassen, sondern dies im Vorfeld verhindern. Dazu gibt es eine ganze Reihe wirksamer und legitimer Maßnahmen:
- Die meisten modernen Praxisverwaltungssysteme (PVS) bieten spezielle Module zur Zeiterfassung und Plausibilitätskontrolle an. Diese digitalen Hilfsmittel sollte man konsequent einsetzen und mindestens einmal im Quartal eine systematische Selbstüberprüfung durchführen und dabei sowohl die Gesamtzeiten als auch die Verteilung der Leistungen sowie mögliche Häufungen kontrollieren.
Darauf sollte man dabei besonders achten:- Parallelleistungen: Wenn mehrere Leistungen gleichzeitig erbracht werden (z. B. physikalische Behandlung und Akupunktur), wird die Prüfzeit für beide Leistungen voll angerechnet, obgleich sie ineinander übergehen.
- Delegierte Leistungen: Auch bestimmte delegierbare Leistungen (z. B. Wundbehandlung) werden mit ihrer vollen Prüfzeit in das Zeitprofil eingerechnet, auch wenn sie teilweise von MFA erbracht wurden.
- Nicht erfasste Zeiten: In BAG und MVZ ist eine eindeutige Zuordnung der LANR wichtig und auch Vertretungsärztinnen und -ärzte sowie Teilzeitkräfte müssen separat erfasst werden, um das Zeitprofil nicht zu verfälschen.
- Hausbesuche: Wegzeiten werden bei Hausbesuchen zusätzlich zur Behandlungszeit mit einberechnet. Bei kurzen Entfernungen zwischen einzelnen Besuchen kann es so zu Verfälschungen kommen.
- Tagesprofilleistungen, hier ist besondere Vorsicht geboten:
- GOP 03230: Keine Ärztin bzw. kein Arzt arbeitet mit Stoppuhr. „Gefühlte“ 10 Minuten, die aber nur 9 Minuten Gesprächszeit waren, werden aber auch mit 10 Minuten angerechnet.
- GOP 35100/35110: Gleiches gilt auch hier. Werden die Leistungen nach 13 Minuten angesetzt, werden auch 15 Minuten angerechnet und können so zu Verfälschungen führen.
- Vorsorgeleistungen: Beratung und Untersuchung bei unterschiedlichen parallel durchgeführten Vorsorgeleistungen gehen im Zeitprofil nicht – wie im Praxisablauf – ineinander über, sondern werden einzeln angerechnet. Kombinationsuntersuchungen sollte man deshalb ggf. vermeiden!
Wichtig: Korrekturen des Zeitprofils sind nicht erlaubt, wenn dadurch die Überschreitung der Zeitobergrenzen verhindert werden soll. Sind die Korrekturen aber korrekt, weil man bei der Selbstprüfung festgestellt hat, dass die gefühlte und die tatsächliche Zeit nicht kongruent sind, ist das legitim.
Das ist auch wichtig: Viele EBM-Leistungen haben überhaupt keine Zeitvorgaben
In eine Plausibilitätsprüfung dürfen nur „zeitbewertete Leistungen“ einbezogen werden. Viele in der hausärztlichen Praxis übliche Leistungen haben aber keine solchen Zeitvorgaben und werden deshalb auch nicht berücksichtigt.
Die wichtigsten Leistungen, die teilweise sogar entbudgetiert oder extrabudgetär vergütet werden, zeigt die Tabelle 1.
Tab. 1: Diese Leistungen haben keine Zeitvorgaben:
EBM | Leistungsbeschreibung | Euro |
01100 | Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 19.00 und 22.00 Uhr oder an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 07.00 und 19.00 Uhr | 24,29 |
01101 | Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 22.00 und 07.00 Uhr oder an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 19.00 und 07.00 Uhr | 38,79 |
01102 | Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 07.00 und 19.00 Uhr | 12,52 |
Achtung: Diese Leistungen sind weiterhin budgetiert und zählen auch nicht als Zusatzsprechstunde bei der Bewertung der Vorhaltepauschale ab 01.01.2026. | ||
01415 | Dringender Besuch eines Patienten in beschützenden Wohnheimen bzw. Einrichtungen bzw. Pflege- oder Altenheimen mit Pflegepersonal wegen der Erkrankung, noch am Tag der Bestellung ausgeführt | 67,67 |
03062 | GOP einschl. Wegekosten – entfernungsunabhängig – für ärztlich angeordnete Hilfeleistungen durch NäPA, die in der Häuslichkeit der Patienten in Abwesenheit des Arztes versorgt werden | 20,57 |
03065 | GOP einschl. Wegekosten – entfernungsunabhängig – für ärztlich angeordnete Hilfeleistungen durch NäPA, die in der Häuslichkeit in Abwesenheit des Arztes erbracht werden, für einen weiteren Patienten in derselben sozialen Gemeinschaft | 15,12 |
38100 | GOP einschl. Wegekosten – entfernungsunabhängig – für das Aufsuchen eines Patienten durch einen vom behandelnden Arzt beauftragten angestellten Mitarbeiter der Arztpraxis zur Verrichtung medizinisch notwendiger delegierbarer Leistungen | 9,42 |
38105 | GOP einschl. Wegekosten – entfernungsunabhängig – für das Aufsuchen eines weiteren Patienten derselben sozialen Gemeinschaft (auch z. B. Alten- oder Pflegeheim) in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Aufsuchen eines Patienten nach der Gebührenordnungsposition 38100 | 4,83 |
Achtung: Diese Leistungen werden entbudgetiert vergütet und zählen zugleich als Kriterium bei der Bewertung der GOP 03040–03042 ab 01.01.2026. | ||
01450 | Zuschlag im Zusammenhang mit den Versichertenpauschalen […] für die Betreuung eines Patienten im Rahmen einer Videosprechstunde oder für eine Videofallkonferenz oder ein Videokonsilium | 4,96 |
01442 01443 37320 37720 | Videofallkonferenzen mit den an der Versorgung des Patienten beteiligten Pflegefachkräften bzw. Pflegekräften | 10,66 |
Achtung: All diese Leistungen werden extrabudgetär vergütet und über die GOP 01450 zugleich auch als Kriterium bei der Bewertung der GOP 03040–03042 ab 01.01.2026 berücksichtigt. | ||
Es lohnt sich also, seine Abrechnungszeiten im Griff zu haben, will man zu den Hausärztinnen und Hausärzten zählen, die in den Genuss der Maßnahmen zur Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars kommen. Dazu sollte man sich auch ab und zu den Begründungstext im GVSG zu der Gesetzesänderung in Erinnerung rufen:
„Die finanzielle Attraktivität der Ausübung einer allgemeinärztlichen Tätigkeit wird angesichts des Verantwortungsumfangs in der hausärztlichen Versorgung im Vergleich mit der Tätigkeit anderer Facharztgruppen als vergleichsweise gering bewertet. Dies äußert sich in größer werdenden Problemen bei der Nachbesetzung hausärztlicher Arztsitze. Als Maßnahme, um die hausärztliche Versorgung auch künftig flächendeckend zu gewährleisten, soll die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich aufgehoben werden.“

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.