Gesundheits-Apps in der Praxis

      Abrechnung     Digitali­sierung; Ärztliche Vergütung; Medizin / Wissen­schaft

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann, Facharzt für Allgemeinmedizin

GKV-Patienten haben ab sofort einen gesetzlichen Anspruch auf die Verordnung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zulasten ihrer Krankenversicherung. Grundlage ist das „Digitale-Versorgung-Gesetz“. Die ersten erstattungsfähigen DiGA sollen schon im September bereitstehen. Dabei wird es sich nicht nur um Apps, die über gängige Smartphone-Systeme genutzt werden können, handeln, sondern auch um webbasierte Anwendungen, die z. B. über einen Internetbrowser erreichbar sind. Vertragsärzte und -psychotherapeuten können diese digitalen Gesundheitsanwendungen verordnen.

Zertifizierung der DiGA

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist mit der Zertifizierung beauftragt und will im Laufe der nächsten Monate ein Verzeichnis für erstattungsfähige DiGA veröffentlichen. Die Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen durchlaufen dazu ein Prüfverfahren, bei dem sie bestimmte Produkteigenschaften wie Benutzerfreundlichkeit und Datenschutz sowie positive Versorgungseffekte nachweisen müssen, um dauerhaft in das Verzeichnis aufgenommen zu werden. Liegt ein ausreichender Nachweis für positive Versorgungseffekte bei der Antragsstellung noch nicht vor, kann das BfArM die DiGA zur Erprobung für höchstens zwei Jahre in das Verzeichnis aufnehmen. In dieser Zeit muss der Hersteller die notwendigen positiven Versorgungseffekte nachweisen.

Honorarverhandlungen stehen noch aus!

KBV und GKV-Spitzenverband müssen noch die Details zur Verordnung vereinbaren. Insbesondere die Vergütung muss für jede DiGA noch geprüft und festgelegt werden. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass ärztliche und psychotherapeutische Leistungen, die mit der Nutzung der DiGA verbunden sind, honoriert werden müssen. Solange eine solche Vergütung nicht geregelt ist, sind DiGA trotzdem verordnungsfähig. Das anfallende Honorar kann durch den Versicherten auf dem Weg der Kostenerstattung bei der Kasse geltend gemacht werden. Mit den Kassen bereits vereinbart ist, dass für die Verordnung das Arzneimittelrezept (Muster 16) verwendet werden kann. Darauf sind die Verzeichnisnummer der DiGA und die Verordnungsdauer in Tagen anzugeben. Vorgesehen ist, dass für jede App im DiGA-Verzeichnis eine eindeutige Nummer und eine empfohlene Mindest- sowie eventuelle Höchstdauer der Nutzung hinterlegt wird. Der Gesetzgeber hat das BfArM beauftragt, mit der Veröffentlichung des Verzeichnisses eine technische Schnittstelle zur Verfügung zu stellen, über die alle relevanten Informationen aus dem DiGA-Verzeichnis direkt in die Praxissoftware integriert werden können. Da dies einige Zeit in Anspruch nimmt, wird zum Start des Verzeichnisses eine händische Verordnung erforderlich sein. Der Patient muss die Verordnung bei seiner Krankenkasse einreichen, die einen Code generiert, mit dem der Patient die Anwendung beispielsweise im jeweiligen App-Store herunterladen kann. Alternativ zur Verordnung durch den Arzt besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Kostenübernahme für eine bestimmte App direkt bei der Krankenkasse zu stellen. Dazu muss allerdings eine entsprechende Indikation nachgewiesen werden, die beispielsweise aus den vorliegenden Behandlungsunterlagen hervorgeht. Eine ärztliche Bescheinigung ist dafür nicht vorgesehen.

Es ist davon auszugehen, dass die Zulassung solcher DiGA durch das BfArM schneller erfolgt als ein Beschluss des Bewertungsausschusses (BA) zur EBM-Abrechnung.

Kostenerstattung ist möglich!

In diesem Zusammenhang gewinnt ein Beschluss der Bundesärztekammer (BÄK) vom 14./15. Mai 2020 an Bedeutung. Der Vorstand der BÄK empfiehlt dort für die „Verordnung und ggf. Einweisung in Funktionen bzw. Handhabung sowie Kontrolle der Messungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen“ den analogen Ansatz der Nr. 76 GOÄ (siehe Tabelle 1). Da für die unterschiedlichen Formen der DiGA im EBM je nach Aufwand unterschiedliche Honorare vorgesehen sind, wird es bis zum Vorliegen dieser Abrechnungspositionen notwendig sein, beim Ansatz der GOÄ-Leistung auch den Multiplikator zum Einsatz zu bringen.

Tab. 1: Diese Leistung kann im Erstattungsverfahren berechnet werden, wenn eine zugelassene digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnet und/oder der Patient in den Gebrauch eingewiesen wird:

GOÄLeistungsbeschreibungEuro/2,3-fach
A76Verordnung und ggf. Einweisung in Funktionen bzw. Handhabung sowie Kontrolle der Messungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen, analog Nr. 76 GOÄ9,38
                            

Quelle: Beschluss BÄK vom 14./15. Mai 2020

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis in Hofheim/Taunus und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.