Extrabudgetäre TSVG-Honorare nicht vergessen!

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) Anfang Mai 2019 gesetzlich festgelegten extrabudgetären Vergütungen gelten weiter, werden jetzt aber mit einem anderen Gesetz, dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“, teilweise verrechnet! Seit 1. Oktober 2021 erfolgt eine Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung um die so erzielten extrabudgetären „TSVG-Honorare“. Bei den Hausärzten macht sich diese gesetzliche Regelung allerdings kaum bemerkbar!

Um zu verstehen, was passiert ist, muss man an den Anfang der gerade abgelaufenen Legislaturperiode zurückgehen. Gesundheitsminister Jens Spahn wollte sich bei Amtsantritt bei Ärzten und Patienten beliebt machen und hat deshalb eine Reihe gesetzlicher Regelungen geschaffen, die dazu führen sollten, dass lange Wartezeiten, insbesondere bei Fachärzten, durch das Angebot von Sonderhonoraren verhindert werden. Extrabudgetär vergütet werden seither Leistungen bei Patienten, die über eine Terminservicestelle (TSS) vermittelt werden, erstmals in die Praxis zur Behandlung kommen (Neupatienten), über einen Hausarzt an den Facharzt vermittelt oder in sog. „offenen Sprechstunden“ behandelt werden. Die so gewonnenen Honorare werden nun im neuen „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ (GVWG) durch Verrechnung mit der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) teilweise neutralisiert.

Hausärztliche Anteile sind größtenteils nicht betroffen!

Der Bewertungsausschuss hat durch das GVWG den Auftrag erhalten, ab dem 1. Oktober 2021 vierteljährlich ein für die Kassenärztlichen Vereinigungen spezifisch durchzuführendes Korrekturverfahren zu vereinbaren. Die Bereinigung soll sich auf die folgenden Elemente des TSVG beziehen:

  • Neue Patienten: Leistungen im Behandlungsfall, die von Ärzten, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, gegenüber Patienten erbracht werden, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt werden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt wurden.
  • Offene Sprechstunden: Leistungen im Behandlungsfall, die im Rahmen von bis zu fünf offenen Sprechstunden je Kalenderwoche ohne vorherige Terminvereinbarung gemäß § 19a Abs. 1 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte erbracht werden. Diese Regelung spielt nur im fachärztlichen Bereich eine Rolle. Hausärzte müssen keine offenen Sprechstunden anbieten.

Das Korrekturverfahren soll (zunächst) für vier Quartale (beginnend ab dem 1. Oktober 2021) erfolgen und ist zeitlich an das Infektionsschutzgesetz gebunden. Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite (durch das Coronavirus SARS-CoV-2) bis zum 25. November 2021 gilt als Bereinigungszeitraum, der ein Jahr nach der Aufhebung der epidemischen Lage zum Ende des dann laufenden Quartals endet.

Wichtig für den hausärztlichen Bereich ist, dass der Honoraranteil, der dafür gezahlt wird, dass Patienten ein fachärztlicher Untersuchungs- und Behandlungstermin vermittelt wird, von dieser Regelung nicht tangiert wird. Die hierfür vorgesehenen 10 Euro werden deshalb weiterhin extrabudgetär und unbereinigt gezahlt.

Fallbeispiel:

57-jähriger Patient mit Dyspnoe und „pathologischem“ Belastungs-EKG bei bekannter COPD wird zur Abklärung an einen Kardiologen und Pulmologen überwiesen.

EBMLegendeEuro
03004Versichertenpauschale im 57. Lebensjahr16,46
03220Chronikerpauschale 114,46
03321Belastungs-EKG22,03
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist14,24
03008 (BSNR)Zuschlag zu der Versichertenpauschale nach der Gebührenordnungsposition 03000 für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins10,35
03008 (BSNR)Zuschlag zu der Versichertenpauschale nach der Gebührenordnungsposition 03000 für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins10,35

Bitte beachten:
Hier wird nur der Zuschlag nach Nr. 03008 extrabudgetär vergütet. Die übrigen Leistungen werden nach den Vergütungsbestimmungen des regionalen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der KV bezahlt.

Bei Neupatienten sollte man trotz der dort vorgesehenen Verrechnung die Kennzeichnung nicht aufgeben und so auch hier weiterhin das extrabudgetäre Honorar für das gesamte Quartal abrufen. Die Bereinigung erfolgt nämlich auf der Ebene der MGV und wirkt sich nicht auf das Regelleistungsvolumen (RLV) der einzelnen Praxis aus. Lediglich über das RLV hinaus erbrachte Leistungen könnten durch diese Maßnahme mit einem niedrigeren (Rest-)Punktwert betroffen sein.

Fallbeispiel:

57-jähriger Patient mit bekanntem Diabetes mellitus und aktuell Dyspnoe kommt erstmals in die Praxis, weil er wegen eines Wohnortwechsels seinen bisherigen Hausarzt nicht mehr aufsuchen kann. Er klagt über seit einigen Tagen bestehende retrosternale Schmerzen. Es wird deshalb ein Belastungs-EKG durchgeführt.

EBMLegendeEuro
03004Versichertenpauschale im 57. Lebensjahr16,46
03220HChronikerpauschale 114,46
03321Belastungs-EKG22,03
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist14,24

Bitte beachten:

  • Dieser Patient muss nicht über die TSS vermittelt werden.
  • In diesem Fall werden aber auch im betreffenden Quartal alle Leistungen extrabudgetär vergütet.
  • Da ein Hausarztwechsel vorliegt, muss die Chronikerleistung nach Nr. 03220 mit dem Zusatz „H“ berechnet werden.

Diese Leistungen sollte man deshalb nicht vergessen!

Bereits am 11. Mai 2019 wurde mit dem neuen TSVG beschlossen, dass Vertragsärztinnen und -ärzte ab dem 1. September 2019 bestimmte Leistungen extrabudgetär zusätzlich vergütet bekommen. Der Bewertungsausschuss hat am 19. Juni 2019 die notwendigen Ausführungsbestimmungen beschlossen. Wie es scheint, ist diese „Honorarreserve“ in der Corona-Pandemie aber etwas in Vergessenheit geraten. In der hausärztlichen Praxis sind drei relevante Typen der Sondervergütung zu unterscheiden:

  • Zuschläge für über die Terminservicestelle (TSS) vermittelte Patienten,
  • die extrabudgetäre Vergütung bei neuen Patienten,
  • die Vermittlungsgebühr, wenn Hausärzte zu Fachärzten überweisen.

Die neue gesetzliche Regelung führt dazu, dass sich in erster Linie die beiden letztgenannten Leistungselemente im hausärztlichen Bereich „rechnen“. Dies gilt insbesondere für die Überweisungsvermittlung.

(Nur) Hausärzte erhalten einen Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nrn. 03000 und 04000 EBM für die Vermittlung von Facharztterminen. Die Zuschläge sind mit 93 Punkten bewertet. Dies entspricht beim aktuellen Punktwert einem extrabudgetären Honorar von 10,35 Euro. Der Zuschlag ist mehrfach berechnungsfähig, wenn der Patient in demselben Quartal durch denselben Hausarzt zu unterschiedlichen Arztgruppen vermittelt wird. Voraussetzung für die Berechnungsfähigkeit ist die erfolgreiche Vermittlung des Termins innerhalb von vier Kalendertagen nach Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt. Außerdem muss die Betriebsstättennummer (BSNR) der Praxis, an die der Patient vermittelt wurde, bei der Abrechnung des Zuschlags nach Nr. 03008 EBM angegeben werden. Die Ansatzhäufigkeit der Nr. 03008 EBM ist auf 15 Prozent der Behandlungsfälle beschränkt. Eine Praxis mit z. B. 1.000 Patienten im Quartal kann die Leistung deshalb maximal 150 Mal ansetzen. Dies entspricht aber einem sicheren Zusatzhonorar von rund 1.550 Euro.

Ebenfalls extrabudgetär werden nach Vorgabe im TSVG seit dem 1. September 2019 Leistungen vergütet, wenn ein Patient erstmals in die Praxis kommt oder im Zeitraum von zwei Jahren (acht Quartale) nicht in der Arztpraxis behandelt oder untersucht wurde. Gibt es in der Arztpraxis mehrere Arztgruppen (fachübergreifende BAG), wird auf die Arztgruppe abgestellt, maximal jedoch auf zwei Arztgruppen pro Arztpraxis. Bei einer Behandlung durch weitere Arztgruppen einer Arztpraxis gilt der Patient für diese Arztgruppen nicht als Neupatient. Eine bisherige Behandlung im Rahmen eines Selektivvertrages (z. B. HZV) oder ein Wechsel der Krankenkasse durch den Versicherten führt nicht zu einer Einstufung als Neupatient. Dies gilt auch für eine Behandlung in einer Praxis innerhalb der ersten zwei Jahre nach Gründung („Neupraxis“) oder bei einem Gesellschafterwechsel (Praxisübernahme).

Wichtig: Die Kennzeichnung solcher Neupatienten „rechnet“ sich allerdings nur, wenn viele Leistungen anfallen, deren Bewertung insgesamt über das Regelleistungsvolumen hinausgehen oder nicht sowieso extrabudgetär vergütet werden (z. B. Präventionsleistungen), da für solche Fälle kein RLV zugeteilt wird.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis in Hofheim/Taunus und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.