Es gibt viele Neuregelungen zur DiGA-Verordnung!

      Abrechnung     Ärztliche Vergütung

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollten das ärztliche und insbesondere psychotherapeutische Leistungsangebot für Kassenpatienten verbessern. Das scheint (bisher) aber zumindest auf der Verbraucherseite nicht angekommen zu sein!

Nach ersten Erhebungen wurden bis zum 30.09.2021 rund 50.000 DiGA ärztlich verordnet oder von den Kranken­kassen genehmigt. Davon wurden bisher allerdings lediglich knapp 80 % von Patienten aktiviert. Auffällig ist auch, dass nur ein Viertel der Anwendungen bisher dauerhaft ins BfArM-Verzeichnis aufge­nommen wurde, weil deren Nutzen belegt werden konnte. Der Rest ist – vermutlich wegen einer Antrags­flut und einer daraus resultierenden Überlastung des BfArM und des Bewertungs­aus­schusses – nur zur Erprobung gelistet. Eine mögliche Ursache des „Miss­erfolges“ könnten auch die Preise der DiGA sein: Das Preis­spektrum bewegt sich zwischen 119 Euro und 744 Euro für drei Monate. Der durch­schnittliche Preis liegt bei rund 400 Euro pro Quartal.
Nach der gesetzlichen Vorgabe müssen auch bei einer DiGA in Erprobung diese Preise bis zu zwei Jahre von der GKV finanziert werden. Dabei dürfen die Hersteller die Preise im ersten Jahr in beliebiger Höhe festlegen.
Rund 90 % der DiGA wurden von Ärzten oder Psycho­therapeuten verordnet, ca. 10 % kamen nach Genehmigung durch die Kranken­kasse zur Anwendung. Rund ein Drittel der Verordnungen wurde durch Haus­ärzte und 20 % durch Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Heil­kunde vorge­nommen.

KBV und Kassen scheinen DiGA jetzt fördern zu wollen!

Am 1. August 2021 hatten KBV und GKV-Spitzen­verband die Anlage 34 zum BMV-Ä geschlossen und damit eine Vergütung der ärztlichen Leistungen im Zusammen­hang mit der Anwendung von DiGA in der GKV geregelt. Das Bundes­institut für Arznei­mittel und Medizin­produkte (BfArM) wurde mit der Zertifizierung der einge­reichten DiGA beauftragt (§ 139e SGB V), um sie verordnungs­fähig zu machen. Die Erst­verordnung aller angemeldeter und vorläufig genehmigter DiGA kann seither nach der Gebühren­ordnungs­position (GOP) 01470 EBM (2,03 Euro) berechnet werden.
Nur bei der DiGA „somnio“ konnte für die „Verlaufs­kontrolle und die Auswertung“ zusätzlich die GOP 01471 EBM (7,21 Euro) zum Ansatz kommen.
Mit einer Änderungs­vereinbarung zur „Vereinbarung über ärztliche Leistungen und deren Vergütung im Zusammen­hang mit vorläufig zur Erprobung in das Verzeichnis nach § 139e Absatz 1 SGB V aufge­nommenen digitalen Gesund­heits­anwendungen gemäß § 87 Absatz 5c Satz 2 SGB V in der vertrags­ärztlichen Versorgung“ wurden zwei Anhänge in die Anlage 34 zum BMV-Ä aufgenommen. Im Anhang 1 wurden nun vom BfArM die ärztlichen bzw. psycho­therapeutischen Leistungen für einige vorläufig in das DiGA-Verzeichnis aufge­nommene Anwendungen festgelegt und durch die Partner des BMV-Ä (KBV und Kassen) bewertet. Zum Einsatz kommt dafür die mit 7,12 Euro bewertete Pseudo­nummer 86700.

Verordnungsberechtigung und Abrechnungsbestimmungen müssen beachtet werden!

Die GOP 86700 kann von den folgenden Fach­gruppen berechnet werden:

  • Hausärzten, Kinderärzten, Internisten mit und ohne Schwerpunkt (inklusive der Fachärzte, die an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmen)
  • Gynäkologen, Orthopäden, Chirurgen (mit Ausnahme der Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie)
  • Fachärzten für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie von Fachärzten, die nach Kapitel 16, 21, 22 und 23 Leistungen berechnen dürfen, und Fachärzten mit der Zusatz­weiter­bildung Psycho­therapie

Die Leistung ist nur einmal im Behandlungs­fall berechnungs­fähig und im Krankheits­fall je DiGA höchstens zweimal. Eine Berechnung neben der Erst­verordnung derselben DiGA nach GOP 01470 EBM ist ausge­schlossen. Beim Ansatz muss die Pharma­zentralnummer (PZN) der DiGA angegeben werden, für die diese Verlaufs­kontrolle berechnet wurde. Wenn im Behandlungs­fall bei einem Patienten mehrere Verlaufs­kontrollen von unterschiedlichen DiGA vorgenommen werden, kann die Pseudo­nummer 86700 mehrfach berechnet werden.
Aktuell kommt die Pseudonummer 86700 für folgende DiGA zum Einsatz:

  • Zanadio (digitales Abnehmprogramm mit einem ganzheitlichen Therapie­ansatz)
  • Invirto (Angsttherapie)
  • Cankado Pro-React Onco (App für Brust­krebs­patientinnen)
  • Mawendo (Bewegungs­therapie)
  • Oviva Direkt (gegen Adipositas)
  • compagnion patella (Therapie­programm bei Knie­schmerzen)

Da einige dieser DiGA die Daten und Arzt­berichte nur über die App oder als PDF-Dokument zur Verfügung stellen und keinen gesonderten Arzt­zugang anbieten, ist die Berechnung der Nr. 86700 nicht im Rahmen einer Video­sprech­stunde möglich.

Jetzt gibt es auch DiGA für Kinder und Jugendliche!

Die GOP 01470 EBM für die Erst­verordnung einer DiGA kann von Kinder­ärzten nicht berechnet werden, da es zunächst keine dauerhaft aufge­nommenen DiGA für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gab. Das DiGA-Verzeichnis wurde nun aber vorläufig um die drei DiGA Rehappy, Mawendo und compagnion patella für die Alters­gruppe „Jugendliche (12–17 Jahre)“ ergänzt. Damit Pädiater Patienten dieser Alters­gruppe eine dieser drei DiGA erstmalig verordnen können, wurde eine weitere Pseudo­nummer 86701 (2,00 Euro) beschlossen. Wie die GOP 01470 EBM ist diese Leistung bis zum 31. Dezember 2022 befristet und wird dann in die Versicherten-, Grund- oder Konsiliar­pauschalen über­führt.

Weitere DiGA kommen ab 1. Juli 2022 hinzu!

KBV und GKV-Spitzen­verband haben im Bewertungs­ausschuss (BA) für drei weitere DiGA die Abrechnung und Vergütung geregelt, die vom Bundes­institut für Arznei­mittel und Medizin­produkte (BfArM) nicht nur vorläufig, sondern dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis (gemäß § 139e SGB V) aufge­nommen wurden. Dabei handelt es sich um die DiGA „Vivira“ (ein therapeutisches Training per App für zu Hause bei Rücken­schmerzen (Aufnahme am 17. Februar 2022)), „HelloBetter Panik“ (ein Therapiekurs gegen Panik­attacken (Aufnahme 3. April 2022)) und den „Selfapys Online-Kurs bei Depression“ (Aufnahme 11. April 2022). Während „HelloBetter Panik“ und „Selfapys“ nur verordnet und nach GOP 01470 EBM (2,03 Euro) berechnet werden können, gibt es für „Vivira“ ein Zusatz­honorar.
Der BA hat zum 1. Juli 2022 beschlossen, die Gebühren­ordnungs­position (GOP) 01472 als Zusatz­pauschale für die Befund- und Verlaufs­kontrolle als ärztliche Leistung während der Behandlung mit der DiGA „Vivira“ in den EBM auf­zu­nehmen (Beschluss 595. Sitzung, schriftliches Beschluss­verfahren). Die GOP ist – wie schon die GOP 01471 EBM – mit 64 Punkten (7,21 Euro) bewertet und kann von Hausärzten, Internisten ohne Schwer­punkt, Orthopäden und Fach­ärzten für Chirurgie berechnet werden, die Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren behandeln. Die Leistung ist einmal im Behandlungs­fall berechnungs­fähig und höchstens zweimal im Krankheitsfall. Da es auch hier keinen gesonderten Arzt­zugang zu den Daten der DiGA gibt, kann diese Verlaufs­kontrolle nicht im Rahmen einer Video­sprech­stunde erfolgen.

Aktuell resultiert nach diesen Beschlüssen folgender „DiGA-EBM“:

GOPLegendeEuroBemerkungen
01470Zusatz­pauschale für das Aus­stellen einer Erst­verordnung einer digitalen Gesund­heits­anwendung (DiGA) aus dem Verzeichnis gemäß § 139e SGB V, einmal im Behandlungs­fall2,03Die Leistung kann von Ärzten und Psycho­therapeuten für alle beim BfArM gelistete DiGA berechnet werden, die Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren versorgen. Sie kann auch abge­rechnet werden, wenn die Verordnung in einer Video­sprech­stunde erfolgt.
86701Pauschale für das Aus­stellen einer Erst­verordnung einer digitalen Gesund­heits­anwendung (DiGA) für Kinder und Jugendliche, die in die Alters­gruppe 12 bis 17 Jahre des Verzeichnisses nach § 139e Absatz 1 SGB V aufge­nommen wurden, einmal im Behandlungs­fall2,00Die Leistung kann von Pädiatern bei der Verordnung der DiGA Rehappy (Schlaganfall-App), Mawendo (Bewegungs­therapie) und compagnion patella (Therapie­programm bei Knie­schmerzen) berechnet werden.
01471Zusatz­pauschale für die Verlaufs­kontrolle und die Auswertung der digitalen Gesundheits­anwendung (DiGA) somnio, einmal im Behandlungs­fall7,12Die Gebühren­ordnungs­position 01471 ist auch bei Durch­führung der Leistung im Rahmen einer Video­sprech­stunde berechnungs­fähig, wenn dies durch Angabe der bundes­einheitlich kodierten Zusatz­kennzeichnung 88220 dokumentiert wird.
86700Pauschale für Leistungen im Zusammen­hang mit der Anwendung der digitalen Gesund­heits­anwendungen (DiGA) Zanadio (digitales Abnehm­programm mit einem ganz­heitlichen Therapie­ansatz), Invirto - Die Therapie gegen Angst, Cankado Pro-React Onco (App für Brust­krebs­patientinnen), Mawendo (Bewegungs­therapie), Oviva Direkt für Adipositas, compagnion patella (Therapie­programm bei Knie­schmerzen), einmal im Behandlungs­fall, zweimal im Krank­heits­fall7,12Die Leistung kann von Haus­ärzten, Kinder­ärzten, Internisten mit und ohne Schwer­punkt (inklusive der Fach­ärzte, die an der Onkologie-Verein­barung teil­nehmen), Gynäkologen, Orthopäden, Chirurgen (mit Ausnahme der Fach­ärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie), Fachärzten für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie Fachärzten, die nach den Kapiteln 16, 21, 22 und 23 Leistungen berechnen dürfen und Fachärzten mit der Zusatzweiterbildung Psychotherapie berechnet werden.
01472Zusatz­pauschale für die Verlaufs­kontrolle und die Auswertung der digitalen Gesund­heits­anwendung (DiGA) Vivira gemäß dem Verzeichnis für digitale Gesund­heits­anwendungen gemäß § 139e SGB V, einmal im Behandlungs­fall, zweimal im Krank­heits­fall7,12Die Leistung kann von Haus­ärzten, Internisten ohne Schwer­punkt, Orthopäden und Fach­ärzten für Chirurgie berechnet werden, die Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren behandeln.

Quelle: Beschluss der Partner der Gesamt­verträge (KBV/GKV-Spitzen­verband) vom 1. Mai 2022 und vom Bewertungs­ausschuss aus der 595. Sitzung zum 1. Juli 2022

 

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.