EBM und GOÄ – Hausbesuche durch nichtärztliches Personal: Was geht da?

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Die Frage, welche Leistungen im Rahmen eines Haus­besuches durch nicht­ärzt­liches Personal einer Praxis berechnet werden können, ist im EBM und in der GOÄ unter­schiedlich geregelt. Der EBM unterscheidet sogar noch nach einer definierten Qualifika­tions­voraussetzung.

Die Regelungen in der hausärztlichen Praxis

Sofern in einer hausärztlichen Praxis Haus­besuche und weitere Leistungen an Praxis­personal delegiert werden, greifen zunächst die Regelungen nach dem Abschnitt III.a 3.2.1.2 des EBM, wonach die Gebühren­ordnungs­positionen (GOP) 03062 bis 03065 zum Ansatz kommen können, wenn die Praxis eine geforderte Mindest­anzahl an Patientinnen und Patienten nachweisen kann und die Leistungen durch nichtärztliche Praxis­assistentinnen und -assistenten mit einer Arbeits­zeit von mindestens 20 Wochen­stunden (NäPA) durch­geführt werden. Dabei wird aller­dings einschrän­kend festgelegt, dass neben diesen Besuchsleistungen nur Leistungen des Labor-Abschnitts 32.2 sowie die GOP 03064, 03065, 03322 und 31600 berechnet werden dürfen. Diese konkreten Bestimmungen lassen es zunächst nicht zu, dass anderes Praxis­personal, wie z. B. eine Versor­gungs­assistentin bzw. ein Versorgungsassistent in der Hausarztpraxis (VERAH) oder mit vergleichbarer Qualifikation (z. B. Kranken­schwester oder -pfleger), in gleicher Weise tätig werden und dessen Leistungen zur Abrechnung kommen können. Hier gibt es allerdings regional unter­schied­liche Übergangsregelungen in den Landes­ärzte­kammern, was die Anerkennung der zugrunde liegenden Voraus­setzungen nach Anlage 8 zum Bundes­mantel­vertrag – Ärzte (BMV-Ä) betrifft.

Die Regelungen in anderen vertrags­ärztlichen Praxen

Hausbesuche durch Praxis­personal können aber auch nach den GOP der Abschnitte IV 38.2 und 3 des EBM berechnet werden. Hier gibt es aller­dings eine Reihe von Unter­schieden zu den Regelungen im Abschnitt III.a 3.2.1.2:

  • Im Abschnitt IV 38.2 wird keine definierte Qualifika­tions­voraus­setzung beim Praxis­personal genannt. Hier können die GOP 38100 (Aufsuchen eines Patienten durch einen vom behan­delnden Arzt beauftragten angestellten Mit­arbeiter der Arzt­praxis zur Verrich­tung medizi­nisch not­wen­diger delegier­barer Leistun­gen) und 38105 („Mitbesuch“ im Zusammen­hang mit der GOP 38100) in haus- und/oder fach­ärzt­lichen Praxen zum Ansatz gebracht werden.
  • Im Abschnitt IV 38.3 findet dann eine Konkreti­sierung statt. Voraussetzung für die Tätigkeit des Praxis­personals ist an dieser Stelle zusätzlich zu der in Anlage 8 zum BMV-Ä geforderten NäPA-Qualifi­kation der Nachweis einer nach dem qualifi­zierten Berufs­abschluss mindestens dreijährigen Berufs­erfahrung in einer Arzt­praxis sowie der Nach­weis über die Begleitung von 20 Hausbesuchen zur Ver­rich­tung medizi­nisch not­wen­diger delegierbarer Leistungen in Alten- oder Pflege­heimen oder in anderen beschützenden Ein­rich­tungen bei einer Ärztin bzw. einem Arzt.
    Ist dies der Fall, können als Zuschlag zur GOP 38100 die GOP 38200 für den Besuch und die Betreu­ung in Alten- oder Pflege­heimen oder anderen beschützenden Ein­rich­tungen bzw. die GOP 38202 für den Besuch in der Häus­lich­keit der Patientin bzw. des Patienten berechnet werden. Eine iden­tische Zuschlags­regelung gibt es für die GOP 38105 mit den GOP 38205 (in Alten- oder Pflege­heimen oder anderen beschützenden Ein­rich­tungen) bzw. 38207 (in der Häus­lich­keit).
    Als Besonder­heit ist hier geregelt, dass in haus­ärzt­lichen Praxen nur der Zuschlag nach der GOP 38200 und 38205 berechnungs­fähig ist, nicht aber nach der GOP 38202 oder 38207. Solche Besuche durch Praxis­personal sind den GOP nach Abschnitt III.a 3.2.1.2 vorbehalten.

In beiden Fällen sind im EBM keine defi­nierten Leistungen benannt, die neben solchen Besuchen berechnungs­fähig sind.

Welche Delegationsleistungen kommen neben den Besuchen nach Abschnitt IV 38.2 und 3 in Betracht?

Am 1. Oktober 2013 wurde für den GKV-Bereich eine „Verein­barung über die Delega­tion ärzt­licher Leistungen an nicht­ärzt­liches Personal in der ambu­lanten vertrags­ärzt­lichen Ver­sor­gung gemäß § 28 Absatz 1/3 SGB V“ zwischen der Kassen­ärzt­lichen Bundes­vereinigung (KBV) und dem Spitzen­verband der gesetz­lichen Kranken­versi­che­rungen getroffen, der auch eine fach­gruppen­spezifische Auf­gliede­rung beinhaltet.

Demnach können an nicht­ärzt­liches Personal generell folgende Leistungen delegiert werden (veröffent­licht im Deutschen Ärzte­blatt, Ausgabe 38/2013):

  • Standardisierte Anamneseerhebung
  • (Psychometrische) Testverfahren
  • Hör- und Sehtestverfahren
  • Injektionen intramuskulär, subkutan, Impfungen
  • Injektionen intravenös, Anlegen Infusionen
  • Labortests (Allgemein­labor: z. B. BZ, Quick, Troponin, Urin­analysen etc.)
  • Blutentnahmen kapillär/venös
  • (Langzeit-)Blutdruckmessung
  • Lungenfunktionstests (Spirographie, Pulsoxymetrie)
  • Blutgasanalysen
  • Weitere Vitalparameter

Je nach Ausrichtung der Praxis kommen andere Leistungen hinzu, wie z. B. in einer gynäko­logischen Praxis die Unter­stützung bei der Betreuung einer Schwangeren, Unter­suchungen während der Schwanger­schaft (z. B. Gewichts­kontrolle, Blut­zucker­bestimmung, CTG) oder in einer orthopä­dischen Praxis die Anlage und/oder Wieder­anlage von Ver­bänden und Orthesen, die Doku­menta­tion von Bewegungs­ein­schrän­kungen, die Anlei­tung zur Durch­führung von Bewegungs­übungen, die Koordina­tion mit Berufen der Hilfs­mittel­technik, die Anferti­gung von Abdrücken und die Modell­herstellung durch Gips oder andere Werk­stoffe.

Losgelöst von dieser Auflistung an delegations­fähigen Leistungen als Anlage 24 zum BMV-Ä gilt grund­sätzlich, dass die Ärztin bzw. der Arzt im Einzel­fall entscheiden muss, ob und an wen sie bzw. er eine Leistung delegiert, und dabei sicher­stellt, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter aufgrund der beruf­lichen Quali­fi­ka­tion oder allge­meinen Fähig­keiten und Kennt­nisse für die Erbringung der dele­gierten Leistung geeignet ist (Auswahl­pflicht). Die Ärztin bzw. der Arzt hat das nicht­ärzt­liche Personal zur selbständigen Durch­führung der zu delegie­renden Leistung anzuleiten (Anleitungs­pflicht) sowie regel­mäßig zu über­wachen (Über­wachungs­pflicht). Die Quali­fika­tion der Mit­arbeiterin bzw. des Mit­arbeiters ist ausschlag­gebend für den Umfang der Anleitung und der Über­wachung (§ 4 Abs. 1 und 2).

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Auflagen aus der Anlage 24 des BMV-Ä sind für den GKV-Bereich als verbind­lich anzusehen. Vertrags­ärztinnen und -ärzte können auf dieser Grund­lage davon ausgehen, dass solche Leistungen ohne weitere Maß­nahmen auf dies­bezüglich qualitativ definiertes Praxis­personal wie NäPA oder VERAH ohne weitere Maß­nahmen über­tragbar sind. Bei anderen denk­baren Berufs­gängen, z. B. bei pflegeri­schem Personal, muss die Entschei­dung im Einzel­fall getroffen werden. Dies kann z. B. aber auch bei einzelnen Leistungen – wie z. B. Impfungen – der Fall sein. In allen Fällen verbleibt aber die (wichtige) Auflage zur Über­wachungs­pflicht.

Die Bestimmungen nach § 24 BMV-Ä gelten formal nur für den GKV-Bereich und damit die vertrags­ärzt­liche Tätig­keit. In der GOÄ hingegen gibt es eine Reihe weniger verbind­licher Rege­lungen, die dadurch aller­dings nicht die not­wendige allgemeine Rechts­ver­bind­lich­keit erreichen.

Dies betrifft dort den Ansatz der Nr. 52 GOÄ, dem in der Gebühren­ordnung weder ein geson­derter Qualifi­ka­tions­nach­weis des Praxis­personals noch eine ähn­lich ver­bind­liche Auflistung von delegations­fähigen Leistungen zugrunde liegt.

Weitere Hinweise zur Leistungsdelegation

Der Spitzenverband der gesetz­lichen Kranken­kassen, die Bundes­ärzte­kammer (BÄK) und die KBV hatten schon 1988 eine gemein­same Auf­fassung über die Anfor­derungen an die per­sön­liche Leistungs­erbrin­gung in der ver­trags­ärzt­lichen Ver­sor­gung definiert, die aber mehr als Orientie­rungs­hilfe zu sehen sind und einerseits Aus­legungs­differenzen ver­meiden und anderer­seits einen gesicherten Rechts­boden für die Abrech­nungs­fähig­keit ärzt­licher Leistungen generell – also in EBM und GOÄ – schaffen sollten.

Die Regelungen in der Anlage 24 zum BMV-Ä haben für den vertrags­ärzt­lichen Bereich mittler­weile für die not­wendige Rechts­ver­bind­lich­keit gesorgt. Die in der Folge geschil­derte Darstellung verbleibt somit für den GOÄ-Sektor.

Eine Stellung­nahme des Vorstands der BÄK vom 16. Februar 1974 ergänzt die o. g. Dar­stellung, wonach Injek­tionen, Infu­sionen und Blut­ent­nahmen zum ärzt­lichen Ver­ant­wortungs­bereich gehören, wobei die Durch­führung aber an medizi­nisches Assistenz­personal delegiert werden kann, soweit nicht die Art des Ein­griffes ärzt­liches Handeln erfordert. Die Ärztin bzw. der Arzt bleibt deshalb in jedem Falle für die Anord­nung und ordnungs­gemäße Durch­führung der Ein­griffe sowie für die Auswahl und Über­wachung der Hilfs­kraft ver­ant­wort­lich. Sie bzw. er darf daher die Durch­führung nur solchen Hilfskräften übertragen, die in der Technik der Leistungen beson­ders ausgebildet sind und von deren Können und Erfah­rungen sie bzw. er sich selbst über­zeugt hat. Die Stellung­nahme differen­ziert nicht nach den einzelnen Injektionsarten. Im Hinblick auf die Delegation von Leistungen ist jedoch zwischen intra­venösen Injek­tionen, Infu­sionen und Blut­ent­nahmen einer­seits und subkutanen und intra­muskulären Injek­tionen anderer­seits zu unter­scheiden.

Dabei kann die Durch­führung von subku­tanen und intra­muskulären Injektionen mit geringeren Auflagen auf Assistenz­personal über­tragen werden, wenn die zur Durch­führung solcher Ein­griffe erforderliche Qualifikation gewähr­leistet ist. Die Durch­füh­rung von Blut­entnahmen hingegen darf nur personen­bezogen an einzelne ent­sprechend qualifi­zierte Mit­arbeite­rinnen und Mit­arbeiter delegiert werden. Intra­venöse Injek­tionen und das Anlegen von Infu­sio­nen sollten von der Ärztin bzw. dem Arzt selbst durch­geführt werden; sie sind wegen mög­licher Komplika­tionen nur dann delegations­fähig, wenn sich die Ärztin bzw. der Arzt von der durch Aus­bildung und Erfah­rung gewonnenen spezifi­schen Qualifika­tion der Hilfs­kraft in der Punk­tions- und Injek­tions­technik über­zeugt hat und wenn sie bzw. er persönlich in der Praxis anwesend ist. Dies gilt z. B. auch für die Verab­reichung von Impfungen.

Bei EKG- und EEG-Leistungen muss die Beur­teilung durch die Ärztin bzw. den Arzt im medizi­nisch not­wen­digen zeit­lichen Zusammen­hang mit der techni­schen Erstellung der Ableitung gewähr­leistet sein. EKG-Leistungen unter Belastung dürfen nur in Anwesen­heit einer ärzt­lichen Person durchgeführt werden.

Laborleistungen sind grund­sätzlich delegations­fähig, jedoch sind Leistungen des Spezial­labors (Abschnitt IV 32.3 EBM) unter der persön­lichen Über­wachung und Verant­wortung bei Anwesen­heit der Ärztin bzw. des Arztes zu erbringen.

Die Verantwortung der Ärztin bzw. des Arztes für die Patien­tinnen und Patienten setzt grund­sätzlich voraus, dass sie bzw. er auch bei der Durch­führung von an Mit­arbeite­rinnen und Mit­arbeiter dele­gierten Leistungen in der Praxis anwesend ist. Es ist daher unzu­lässig, in der Arzt­praxis aufgrund genereller Anordnung an das Praxis­personal ärzt­liche Leistungen durch­führen zu lassen, wenn die Ärztin bzw. der Arzt persön­lich nicht in der Praxis erscheinen kann oder für längere Zeit (z. B. Urlaub oder Kongress­besuch) abwesend ist. In solchen Fällen muss eine Vertreterin oder ein Vertreter bestellt oder die Praxis vorüber­gehend geschlossen werden. Bei vorüber­gehender Abwesen­heit können jedoch bereits von der Ärztin bzw. dem Arzt angeord­nete Leistungen durch­geführt werden, wenn dies medizi­nischen Erforder­nissen genügt. Von der Ärztin bzw. dem Arzt vorher angeordnete Blut­ent­nahmen können z. B. in der Zeit vor Beginn der Sprech­stunde durch­geführt werden, wenn die Ärztin oder der Arzt in angemessener Zeit persön­lich erreich­bar ist.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.