Abrechnung einer Leichenschau – da geht manchmal (auch) mehr
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Der Abschnitt B VII der (alten) Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) regelt das Honorar, das im Rahmen einer Leichenschau anfallen kann. Die Gestaltung der dort aufgeführten Leistungen folgt bereits dem bei der neuen GOÄ praktizierten Prinzip der betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Die enthält jedoch einige Lücken, die man ggf. aber füllen kann.
Zeitvorgaben
Die Nrn. 100 (Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer vorläufigen Todesbescheinigung) und 101 (Eingehende Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer Todesbescheinigung) enthalten jeweils Zeitvorgaben, die Voraussetzung für den 100%igen Ansatz der Leistungen sind. Bei der Nr. 100 sind das 20 Minuten, bei der Nr. 101 sogar 40 Minuten. Werden die Zeiten unterschritten, können jeweils nur 60 % des Honorars in Rechnung gestellt werden, wobei bei der Nr. 100 mindestens 10 Minuten, bei der Nr. 101 mindestens 20 Minuten erfüllt sein müssen. Formal bedeutet das aber auch: Werden diese Zeiten unterschritten, kann überhaupt kein Honorar geltend gemacht werden.
Das klingt dramatisch, lässt sich bei einem genaueren Studium der Leistungsbeschreibungen aber relativieren: So enthalten die beiden Nrn. 100 und 101 in der Legende jeweils den Zusatz „gegebenenfalls einschließlich Aktenstudium und Einholung von Auskünften bei Angehörigen, vorbehandelnden Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten“. In beiden Fällen werden diese Maßnahmen in die Zeitvorgaben von 20 bzw. 40 Minuten eingeschlossen, während das Aufsuchen im Text außerhalb dieses Rahmens angesiedelt ist und damit ausdrücklich nicht bei der Zeittaktung herangezogen werden darf.
Konkret bedeutet dies:
Werden bei einer Patientin bzw. einem Patienten derartige Maßnahmen neben der Untersuchung der Leiche oder sogar als Resultat dieser Untersuchung erforderlich, zählen sie bei der Zeittaktung mit. Nimmt z. B. die reine Untersuchung der Leiche 20 Minuten in Anspruch und weitere 20 Minuten fallen durch Aktenstudium und/oder das Einholen weiterer Auskünfte an, ist die Vorgabe von 40 Minuten erfüllt und es kann das volle Honorar von 110,51 Euro bei der Nr. 100 oder 165,77 Euro bei der Nr. 101 angefordert werden.
In einem solchen Fall ist ggf. zusätzlich die Nr. 4 (Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken) berechnungsfähig, die ausdrücklich in der GOÄ nicht neben den Nrn. 100 und 101 ausgeschlossen ist. Da sie keine Zeitvorgabe hat, kommt es auch nicht darauf an, wie lange eine solche Anamneseerhebung gedauert hat. Gestaltet sie sich z. B. als sehr aufwändig, könnte dies durch den Ansatz eines höheren Multiplikators geltend gemacht werden.
Fahrtkosten
Ärgerlich ist, dass das Aufsuchen der Leiche ausdrücklich nicht bei den Zeitvorgaben der Nrn. 100 und 101 berücksichtigt werden darf. So kann eine lange Anfahrt dazu führen, dass ein eigentlich betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbares Honorar resultiert, wenn z. B. bei einer An- und Abfahrt von 50 Minuten zusammen mit den 40 Minuten für die Leichenschau eine Abwesenheit von 1,5 Stunden resultiert, aber nur mit der Gebühr von 165,77 Euro in Rechnung gestellt werden kann. Das muss aber nicht in allen Fällen so sein, sondern hängt davon ab, wodurch die lange An- und Abfahrt entstanden ist.
Steht man z. B. im Stau, hat man Pech und kann dies nicht geltend machen. Anders ist die Sachlage, wenn die längere An- und Abfahrtstrecke durch eine weite Entfernung zur Leichenschau entsteht. In diesem Fall kommt der § 9 der GOÄ zum Tragen: „Bei Besuchen über eine Entfernung von mehr als 25 Kilometern zwischen Praxisstelle des Arztes und Besuchsstelle tritt an die Stelle des Wegegeldes eine Reiseentschädigung. Als Reiseentschädigung erhält der Arzt 26 Cent für jeden zurückgelegten Kilometer, wenn er einen eigenen Kraftwagen benutzt […], bei Abwesenheit bis zu 8 Stunden 51,13 Euro, bei Abwesenheit von mehr als 8 Stunden 102,26 Euro je Tag“.
Konkret bedeutet dies:
Liegt der Ort der Leichenschau z. B. 30 Kilometer entfernt, kommt diese Regelung zum Einsatz. Dabei gilt nicht, wie beim Wegegeld, ein Radius, sondern die tatsächlich – für An- und Abreise – zurückgelegte Kilometerzahl, wobei dann zu der Pauschale von 0,26 Euro/Kilometer noch eine weitere Pauschale von 53,13 Euro bei Abwesenheit bis zu 8 Stunden und von 102,26 Euro bei mehr als 8 Stunden Abwesenheit hinzukommt.
Wäre deshalb der Weg zur Leiche und zurück 30 Kilometer und würden daraus 1,5 Stunden Abwesenheit resultieren, könnten zusätzlich zu den Gebühren noch 7,80 Euro und 53,13 Euro, zusammen also 60,93 Euro, in Rechnung gestellt werden.
Zuschläge
Neben den Nrn. 100 und 101 können bei einer Leichenschau zusätzlich die „Unzeitzuschläge“ nach F, G und/oder H berechnet werden. Da hier der Zuschlag E (Zuschlag für dringend angeforderte und unverzüglich erfolgte Ausführung) fehlt, würde ein solcher schnell durchgeführter Besuch im Rahmen der Leichenschau nicht (angemessen) vergütet. Das muss aber auch nicht sein. Da eine solche Dringlichkeit in der Regel einen Grund haben müsste – z. B. weil der Tod plötzlich und unvorhergesehen eingetreten ist und deshalb die Ursache schnell abgeklärt werden sollte –, wäre auch hier der zusätzliche Ansatz der Nr. 4 für eine Fremdanamnese wahrscheinlich und denkbar. In diesem Fall könnte der Zuschlag A (Zuschlag für außerhalb der Sprechstunde erbrachte Leistungen) zur Nr. 4 zugesetzt werden und neben der Nr. 100 oder 101 zum Ansatz kommen. Falls es sich dabei um eine unbekannte Leiche handeln würde, käme sogar noch die Nr. 102 (Zuschlag zu den Leistungen nach den Nummern 100 oder 101 bei einer Leiche mit einer dem Arzt oder der Ärztin unbekannten Identität und/oder besonderen Todesumständen) hinzu, wobei allerdings beachtet werden muss, dass sich die Zeitvorgabe dann um 10 Minuten erhöht.
Fallbeispiel
Der 85-jährige Patient Otto K. ist in einem Altenpflegeheim 20 Kilometer außerhalb der Stadt untergebracht. Der Hausarzt Dr. Eberhard H. wird als Urlaubsvertretung einer Kollegin in das Altenheim gerufen, da der Patient soeben unvorhergesehen tot im Bett aufgefunden wurde.
Da sich der Arzt gerade in der Mittagspause befindet, macht er sich sofort auf den Weg. Im Heim angekommen, untersucht er den Patienten 20 Minuten, studiert anschließend die umfangreichen Unterlagen im Büro der Pflegestation, befragt die Pflegekräfte zum bisherigen Krankheitsverlauf und füllt dann den Leichenschauschein aus, da er sicher von einer natürlichen Todesursache ausgeht. Diese Maßnahmen nehmen 25 Minuten in Anspruch. Nach 1,5 Stunden ist Dr. H. pünktlich zum Beginn der Nachmittagssprechstunde zurück.
Die Leistungsabrechnung würde sich in diesem Fall wie folgt gestalten:
GOÄ | Leistungsbeschreibung | Faktor | Euro |
101 | Eingehende Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer Todesbescheinigung, einschließlich Angaben zur Todesart und Todesursache gemäß landesrechtlicher Bestimmungen, gegebenenfalls einschließlich Aktenstudium und Einholung von Auskünften bei Angehörigen, vorbehandelnden Ärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten (Dauer mindestens 40 Minuten), gegebenenfalls einschließlich Aufsuchen (eingehende Leichenschau) | 1,0 | 165,77 |
4 | Fremdanamnese bei unbekanntem Patienten Begründung: umfangreiche zeitliche Recherche, da Vertretungsfall | 3,0 | 38,46 |
A | Zuschlag für außerhalb der Sprechstunde erbrachte Leistungen | 1,0 | 4,08 |
Reiseentschädigung nach § 9 GOÄ | |||
40 Kilometer zu 0,26 Euro | 10,40 | ||
Abwesenheit 1,5 Stunden | 53,13 | ||
Summe | 271,84 |

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.